Es ist wunderbar, dass so viele Menschen ihre Hilfe angeboten haben und Geflüchtete auch mit ihren Tieren bei sich aufnehmen! Dieser Beitrag soll eine erste Unterstützung sein.
Hunde und Katzen, die von ihren Halter:innen bei der Flucht aus der Ukraine mitgenommen wurden, sind ebenso erschöpft, verängstigt und traumatisiert wie die Menschen. Auch sie benötigen Unterstützung dabei, sich in ihrer neuen Umgebung zurechtzufinden, hier „anzukommen“.
Ruhe
Dazu ist vor allem Ruhe wichtig. Ein Raum, in welchem sie möglichst ungestört sind. Zur Not kann das eine ausreichend große, gemütlich gepolsterte Box sein, die vertraut riecht und der sich keine fremden Menschen nähern. Die Boxen, in denen Katzen normalerweise transportiert werden, sind vor allem dann zu klein, wenn die Box öfter geschlossen werden soll (um zB direkten Kontakt mit eigenen Tieren zu vermeiden). Hier empfiehlt sich eher eine große Hundebox. Günstiger ist natürlich ein Raum, in welchem Mensch und Tier gemeinsam und möglichst ungestört zur Ruhe kommen können.
Katzen schätzen (höhlenartige) Verstecke, etwa unter dem Bett, hinter dem Sofa, im Kleiderschrank, oder unter einem Stuhl mit einer Decke darüber. Aber auch erhöhte Rückzugsorte (Kletterbaum, ein Bettchen auf dem Fensterbrett oder Sideboard oder ähnliches) werden gut angenommen. Besonders bei ängstlichen Katzen sind jedoch nicht nur erhöhte, sondern auch ebenerdige Verstecke eine gute Idee.
Stubenreinheit
Katzen sind häufig daran gewöhnt, eine Katzentoilette zu benutzen, können bei starkem Stress aber dennoch unsauber werden. Solche Missgeschicke werden mit Enzymreiniger (Zoohandlung) entfernt. Generell sollten Katzentoiletten ausreichend groß sowie kippsicher sein und an einem ruhigen, leicht erreichbaren Ort stehen. Die Einstreu sollte fein, duftneutral und mindestens 5 bis 7 cm hoch eingestreut sein. Sollte die Katze das Haubenklo nicht gern benutzen, versuchen Sie ein offenes Katzenklo. Auch Katzen, die bisher nicht an die Benutzung einer Toilette gewöhnt waren, lassen sich in der Regel schnell daran gewöhnen, wenn man ihnen zeigt, dass sie im Katzenklo scharren können.
Auch bei stubenreinen Hunden kann es anfangs vorkommen, dass sie sich nur im Haus lösen, weil sie draußen zu verängstigt sind. Ebenso wie für Katzen gibt es auch für Hunde Indoor-Toiletten oder saugfähige Unterlagen, die sie in diesen Fällen nutzen können. Verunsicherten Hunden sollte wenn möglich ein Platz im Garten zum Lösen angeboten werden, damit sie nicht sofort in fremder Umgebung Gassi gehen müssen. Bei ersten Spaziergängen die Hunde bitte gut sichern (Sicherheitsgeschirre können im Idealfall bei Tierheimen und Vereinen ausgeliehen werden)!
Körpersprache
Beide – Hunde und Katzen – können jetzt verstärkt Aggressionsverhalten zeigen, auch wenn sie sonst zutrauliche, freundliche Tiere sind. Versuche, sich dem Tier zu nähern und Kontakt aufzunehmen, sollten daher zunächst unterbleiben bzw. vom Tier selbst ausgehen. Kommt das Tier von sich aus näher, bitte nicht sofort euphorisch antworten, sondern dem Tier Zeit lassen.
Menschen können Tieren durch ihr eigenes Verhalten signalisieren, dass sie keine Bedrohung darstellen:
- im Bogen auf das Tier zu / an ihm vorbeigehen (frontale Annäherung vermeiden)
- den Blick abwenden
- den Kopf leicht senken
- die Arme entspannt hängen lassen
- ruhige Bewegungen
- Bewegung / Annäherung mit leiser, freundlicher Stimme ankündigen: „Ich komme jetzt näher“, „ich gehe jetzt an dir vorbei“ (egal, in welcher Sprache: Tiere lernen schnell, dass bestimmte Klang- / Wortfolgen bestimmte Aktionen ankündigen)
- Bei Katzen: langsames Blinzeln, dann den Kopf abwenden – diese Geste nennt man auch das „Lächeln der Katzen“, sie signalisiert „Ich will dir nichts Böses.“
Die Körpersprache des Tieres beachten! Drohgesten beinhalten immer, dass das Tier sich anspannt oder sogar steif wirkt und das Fell sträubt. Hunde knurren oder fletschen die Zähne. Katzen fauchen, knurren grollend, machen einen „Katzenbuckel“ (evtl. seitlich zur „Gefahr“ gestellt, die Ohren flach nach hinten gedreht). Zeigt das Tier solches Verhalten, Distanz vergrößern und dem Tier Gelegenheit bieten, sich seinerseits zurückzuziehen.
Annäherung
Managementmaßnahmen wie Anleinen, die kurzfristige Unterbringung in der gewohnten Box, aber auch Türgitter helfen, unerfreuliche Begegnungen nach Möglichkeit zu vermeiden. Für Hunde und Katzen, die in der Lage sind, Futter anzunehmen, können in Situationen, in welchen sie sich bedroht fühlen, Futterbröckchen vorsichtig von der vermeintlichen Gefahr weg geworfen werden.
Eine bereitgelegte Decke an einer geschützten Stelle (zum Beispiel möglichst weit weg von der Tür) kann als Rückzugsort dienen: Möchte zum Beispiel ein fremder Mensch den Raum betreten, werden Futterbröckchen auf die Decke geworfen. Der Hund kann sich von der vermeintlichen Gefahr entfernen, indem er die Decke aufsucht, dafür wird er außerdem mit Futter belohnt. Mit der Zeit verliert das Eintreten des Menschen seinen Schrecken.
Generell sind viele Hunde, aber auch Katzen, sehr für Futterspiele zu haben! Hierzu werden Futterbröckchen vorsichtig, ohne große, ausholende Bewegung vom Menschen weg geworfen oder gekullert, so dass das Tier sie „erjagen“ kann. Der Versuch, ein Tier mit Futter zu sich zu locken, kann dieses in einen starken Konflikt bringen: Futter ist überlebensnotwendig und das Tier kommt unter Umständen näher, als es eigentlich möchte. Dabei besteht die Gefahr, dass die Nähe Angst und im zweiten Schritt Aggressionsverhalten auslöst. Die erhoffte Verknüpfung Mensch-Futter entsteht auch dann, wenn das Futter nicht aus der Hand des Menschen genommen wird.
Sicherheit
Rituale geben Sicherheit. Gleichförmige, sich wiederholende Abläufe und eintönige Tage ohne „Überraschungen“ vermitteln die Sicherheit, zu wissen, was als nächstes passieren wird. Sind die Tiere ein wenig angekommen, können Ablenkung und Beschäftigung angeboten werden. Die meisten Hunde kauen gern auf Dörrfleisch herum, das Kauen wirkt beruhigend. Katzen schlecken gern Liquidsnacks oder Pasten von Tellern, Silikonuntersetzern oder Silikontopflappen.
Sowohl Hunden als auch Katzen können Futtersuchspiele angeboten werden: Zum Beispiel einen Karton mit zerknülltem Papier füllen und Futterbröckchen hineinstreuen. Hunde freuen sich oft über leere Toilettenpapier-Rollen, die in Zeitungspapier verpackt werden und in denen Futter versteckt ist. Für Katzen können Klorollen zu einer Pyramide zusammen geklebt und mit Leckerchen zum Herausangeln gefüllt werden. Jüngere Katzen lassen sich vielleicht zum Spielen motivieren, hier genügt tatsächlich oft schon ein Schnürsenkel oder Band mit einem Knoten am Ende.
Sollte die Situation für Menschen und Tiere angespannt oder bedrohlich bleiben, sollte Rat bei professionellen Trainer:innen eingeholt werden. In diesen Fällen können auch Tierärzt:innen mit beruhigenden Präparaten helfen.
Quarantäne
Aufgrund der Notsituation können Geflüchtete ihre Haustiere ohne die sonst üblichen Auflagen mitbringen. Sie müssen jedoch zunächst in Quarantäne gehalten werden. Bis Gesundheit und Impfstatus der Tiere abgeklärt sind, sollte es also keinen Kontakt zwischen den eigenen Tieren und denen der geflüchteten Menschen geben. Am besten schnellstmöglich den eigenen Tierarzt bzw. das Veterinäramt kontaktieren!
Braucht ihr Hilfe?
Kurzfristige Unterstützung für Menschen, die Geflüchtete mit Haustieren aufgenommen haben, bieten ehrenamtlich die Trainer:innen in unserer Facebook-Gruppe Tsd hilft helfen. Damit können wir kein Training vor Ort ersetzen, aber hoffentlich die Helfer ein wenig unterstützen.
Iris Blitz mit Anne-Katrin Mausolf (https://www.katzenkummer-verstehen.de)
Diesen Text findest du hier auf Russisch!
Foto © Ольга Рязанцева, AdobeStock