… ist in mehr als einer Hinsicht ein bemerkenswertes Buch!
Ich persönlich fand schon den Titel reizvoll: Selbstverständlich ist „führen“ zunächst einmal ein vollkommen neutraler Begriff, dennoch sträubt sich vielen positiv trainierenden Menschen kurz das Nackenfell, wenn er im Zusammenhang mit Hunden genannt wird. Und auch mein Kopfkino bietet mir das Bild vom „Hundeführer“ an, der seine Führungsposition „durchsetzt“ … halt nur achtsam. Das ist schräg!
Was Maria Rehberger allerdings meint, wenn sie von Führung spricht, ist genau das, was die Arbeitnehmer:innen unter uns sich von ihrer Führungskraft wünschen: Ein freundlicher Umgang, Verständnis, Anleitung, Unterstützung, Förderung, Entscheidungsbefugnisse … und die Sicherheit, Dinge auch mal nicht können oder falsch machen zu dürfen, ohne dass es Ärger gibt.
Sie lädt ihre Leser:innen ein, sich zu fragen, ob sie eigentlich gern ihr eigener Hund wären.
Die Frage mag banal klingen – eine ehrliche (!) Antwort darauf ist das ganz sicher nicht!
Hunde achtsam führen ist ein Plädoyer für belohnungsbasiertes Training und stellt gleichzeitig immer wieder die Frage, ob wir wirklich alles trainieren müssen, was wir trainieren können.
Maria Rehberger meint: Nein.
Wenn unser Hund Verhaltensweisen zeigt, die uns veränderungsbedürftig erscheinen, sollten wir zunächst einmal versuchen, seine Lebensumstände so zu verändern, dass er das Verhalten nicht mehr zeigen muss. Im zweiten Schritt lohnt sich ein Blick auf seine Bedürfnisse: Können wir (noch) etwas tun, um seine Bedürfnisse bestmöglich zu erfüllen?
Oft hat sich das „Verhaltensproblem“ an diesem Punkt bereits erledigt. Falls nicht, ist erst das der geeignete Moment, über Training nachzudenken.
Noch mal zurück zum Thema „Kopfkino“
Wenn es um Clicker- bzw. Markertraining geht, beschleicht inzwischen viele Menschen ein ungutes Gefühl, weil es ihnen manipulativ vorkommt. Die Autorin scheut sich nicht, dieses Unbehagen zu thematisieren: Selbst wenn wir noch so freundlich trainieren, wir manipulieren in diesem Moment den Hund, sorgen dafür, dass sich im Hundehirn Synapsen neu verschalten, und erzeugen bewusst Emotionen.
Das ist Manipulation!
Und unsere Hunde können uns nicht sagen, wie sie das finden. Deswegen ist es an uns, achtsam zu sein! Ihnen das Recht zu belassen, im Großen und Ganzen so sein zu dürfen, wie sie nun einmal sind, und nur da „gestaltend“ einzugreifen, wo es tatsächlich unvermeidlich ist.
Last not least liefert Maria Rehberger eine der schönsten Erklärungen, warum noch so gut gemeintes, belohnungsbasiertes Training manchmal einfach nicht funktionieren will, die ich je gelesen habe! Sie erklärt sehr anschaulich, welche Möglichkeiten wir nutzen können, und wo jeweils die Fallstricke verlaufen.
Sehr sympathisch finde ich, dass die Autorin vieles an ihrem eigenen Beispiel und dem ihrer Hunde erklärt. Auch, dass sie selbst nicht immer so mit ihren Hunden umgegangen ist, wie sie es heute tut, und sich anfangs heftig gegen die Idee belohnungsbasierten Trainings gewehrt hat. Maria Rehberger belehrt nicht, sie erzählt.
Für wen eignet sich dieses Buch?
Menschen, die sich eine tiefe Bindung zu ihrem Hund wünschen, achtsam mit ihm, aber auch sich selbst umgehen möchten, werden hier eine Menge Anregungen finden. Wer sich bemüht, über positive Verstärkung zu trainieren, und frustriert ist, weil das Gegenteil des Erhofften eintritt, wird den einen oder anderen „Aha!“-Effekt erleben.
Für mein Empfinden ist Hunde achtsam führen außerdem ein schönes Buch für Hundehalter:innen, die bisher gelernt haben, eine bestimmte „Führungsrolle“ einzunehmen, obwohl sie sich damit nicht recht wohlfühlen. Von den Zweifeln, ob es anders tatsächlich auch funktionieren könnte, kann dieses Buch sie befreien.
Die Autorin erklärt nicht, „wie es geht“ – sie erklärt, wie es sein darf.
Info zum Buch
Verlag: animal learn
August 2021
Gebundene Ausgabe, 184 Seiten
ISBN-10: 3936188785
ISBN-13: 978-3936188783
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Foto © Animal Learn Verlag