… möchten wir unserem Hund hinterherbrüllen, wenn er mal wieder mit Karacho zum Zaun brettert, um den Paketboten in die Flucht zu schlagen. Wir pressen es durch unsere zusammengebissenen Zähne, wenn er kläffend in der Leine steht, nur weil uns in der Dämmerung ein Mensch mit breitkrempigem Hut entgegenkommt. Alles könnte so einfach sein, wenn unsere Hunde nur endlich einsehen würden, dass wir solche Situationen durchaus im Griff haben …

Warum es so nicht funktionieren kann

Mittlerweile ist zwar erwiesen, dass Hunde Menschen sehr viel besser verstehen, als diese immer dachten, aber unsere Idee davon, dass wir etwas „im Griff haben“, übersteigt ihr Vorstellungsvermögen. An diesem Punkt beurteilen sie uns nach dem, was sie sehen.

Und was sie sehen, ist zum Beispiel folgendes:

Hundebegegnungen

Ich gehe mit meinem angeleinten Hund spazieren. Uns kommt eine Frau meines Alters entgegen. Sie sieht sympathisch aus und führt ebenfalls einen Hund an der Leine. Es wäre sicher nett, sie kennenzulernen!
Ihr Hund streckt die Vorderbeine ein wenig, drückt die Brust raus und schaut meinem mit gespitzten Ohren entgegen. Der seinerseits wird ein bisschen kleiner und läuft plötzlich zögerlicher.
All das entgeht mir allerdings, da ich den Blick der Frau suche und schonmal überlege, wie ich ein Gespräch anfangen kann.
Viel Zeit haben wir beide heute nicht – aber bestimmt werden wir uns hier noch häufiger begegnen und dann gehen wir mal ein Stück zusammen!
Ihr Hund hat währenddessen den meinen ausgiebig beschnuppert, was dieser sich mit gesenktem Kopf hat gefallen lassen. Erwidert hat er diese „Begrüßung“ nicht und er ist erleichtert, als er die Begegnung endlich hinter sich hat. Auch das habe ich nicht gesehen, weil ich mich ja unterhalten habe.

Bei der nächsten Hundebegegnung versucht mein Hund, sich etwas deutlicher zu äußern: Bevor der andere näherkommen kann, verbellt er ihn. Was hat er denn jetzt auf einmal? Gerade eben war er doch noch ganz friedlich! Ich unterbinde sein Gebell mit einem bestimmten „Nein!“, fasse die Leine kürzer und setze meinen Weg unbeirrt fort.

Geregelt habe ich in diesen Momenten gar nichts. Ich habe eine unangenehme Situation nicht nur nicht als solche erkannt, ich habe meinen Hund auch noch mitten hinein befördert. Mit meinem harschen Ton und dem Zug auf der Leine habe ich sie dann noch weiter verschärft. Bei Hundebegegnungen bin ich also schonmal keine Hilfe …

Unheimliche Geräusche

Nach dem Spaziergang möchte ich einen gemütlichen Abend verbringen, aber mein Hund springt immer wieder auf, um irgendetwas draußen zu verbellen. Ich schicke ihn auf seinen Platz, aber entweder, er springt erneut auf, oder er bellt von dort aus. Ich unterbinde sein Verhalten mit einem entschiedenen „Nein!“.
Dass die Wohnungstür ein Sicherheitsschloss hat und die Alarmanlage aktiviert ist, kann mein Hund nicht wissen. Er weiß nur, dass er ein Geräusch gehört hat, das auf eine Gefahr hinweisen könnte.
Wenn ich mir jetzt einmal vorstelle, ich würde nachts von einem ungewöhnlichen Geräusch geweckt, rüttele meinen Partner wach und wispere: „Ich glaube, da draußen ist jemand!“ Und der sagt: „Dreh dich um! Schlaf weiter!“ …
„Aber ich habe etwas gehört!“, würde ich garantiert beharren und es ziemlich empörend finden, wenn er mir daraufhin den Mund verbieten wollte.

In diesem Moment hätte ich nicht für fünf Pfennig den Eindruck, dass mein Partner die Lage im Griff hat! Ich würde mich unverstanden fühlen, nicht ernstgenommen, allein gelassen. Dabei würde ich mir lediglich wünschen, er ginge einfach mal gucken, was los ist.

Auch hier habe ich also als Sozialpartnerin meines Hundes genau gar nichts geregelt.

Wie sieht es nun bei Besucher:innen aus?

Wenn ich Hundehalter:innen besuche, werde ich in aller Regel auch von ihrem Hund begrüßt: Manche verbellen mich, knurren, springen mich mit einem kernigen Rempler an. Andere beschnuppern und umtanzen mich, wollen gekrault werden, bringen mir ihr Spielzeug. Eines haben all diese Begrüßungen gemeinsam, ganz egal, wie abwehrend oder charmant sie sind: Die Hunde lassen sich Zeit. Sie bremsen mich aus. Einfach mal zügig bis ins Wohnzimmer durchzulaufen, schaffe ich nie.
Wir Menschen kennen ein solches Verhalten: Wenn es unverhofft an der Tür klingelt, öffnen wir diese (nachdem wir durch den Spion geschaut haben) gerade soweit, dass wir hinauslugen können. Sofern wir die Tür nicht gleich wieder zuschlagen, achten wir darauf, dass wir den (nun etwas größeren) Türspalt mit unserem Körper blockieren. Erst wenn wir sicher sind, dass wir die Besucher:in ins Haus lassen wollen, öffnen wir die Tür ganz und machen den Weg frei, so dass sie eintreten kann.
So gesehen sind Menschen und Hunde sich in der Frage, wie wir jemanden in die Wohnung lassen, eigentlich einig: Langsam! Erstmal gucken, ob dieser Gast wirklich willkommen ist!

Dass der betreffende Mensch sich telefonisch angekündigt hat und womöglich der Heizungsableser ist, der einfach in alle Räume darf, können unsere Hunde wiederum nicht wissen. Wenn ich also die Tür aufreiße und den Gast nicht nur ungebremst eintreten lasse, sondern womöglich allein ins Wohnzimmer vorschicke, während ich in die Küche abbiege, um Kaffee aufzusetzen, muss das auf meinen Hund leichtsinnig bis fahrlässig wirken. Aus genau diesem Grund schärfen wir unseren Kindern ein, dass sie nicht die Tür aufmachen, sondern uns das erledigen lassen sollen.

Punkte auf meinem „Ich regel‘ das!“-Konto: 0.

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen: Aus Sicht unserer Hunde regeln wir ganz viele wichtige Dinge schlicht nicht. Wir kapieren nicht einmal, dass sie wichtig sind. Und genau aus diesem Grund können wir nicht einfach für uns in Anspruch nehmen, der Hund möge sich jetzt mal darauf verlassen, dass wir die Lage im Griff haben: Nicht warnen, nicht die Initiative übernehmen, ja uns nicht einmal behilflich sein wollen.

Deswegen hilft es auch nicht, „Selbstbewusstsein auszustrahlen“. Mal unter uns: Wenn ein Mensch, von dem ich weiß, dass er kritische Situationen nicht einmal als solche erkennt, ganz selbstbewusst und gelassen in der Gegend herumsteht, dann beruhigt mich das kein bisschen!

Warum ich trotzdem dafür bin, Dinge zu regeln

Hunde zeigen kein Verhalten ohne Grund. Wenn ich also das Verhalten meines Hundes verändern möchte, besteht eine Möglichkeit darin, den Grund zu beheben.
Sehe ich kommen, dass meinem Hund eine Hundebegegnung nicht geheuer sein wird, dann tue ich mein Möglichstes, um ihm die nötige Distanz zu verschaffen. Ich signalisiere ihm damit, dass ich sein Problem erkannt habe, ihn verstehe. Und dass ich ihm helfe, es zu lösen.

Wenn mein Hund versucht, mich vor einer Gefahr zu warnen, warte ich nicht, bis er laut wird, sondern reagiere sobald er aufmerkt, „dicke Backen“ macht, oder wufft. Auch wenn ich mir ganz sicher bin, dass es nur der Nachbar ist: Ich schaue nach.
Durchaus auch in meinem eigenen Interesse: Ab und zu lesen wir in der Zeitung dann ja doch gerührt von dem Hund, der seine Familie geweckt hat, weil es brannte …

Und ich begrüße Besucher:innen so, wie er es auch tun würde. Nein, ich schiebe niemandem meine Nase in den Schritt und ich bringe auch kein Spielzeug!
Aber ich nehme im Flur schonmal die Jacke ab. Erkundige mich, ob diejenige gut hergefunden hat. Führe sie dann ins Wohnzimmer und „setze sie ab“: „Nimm doch bitte Platz! Bleib sitzen, ich koch rasch Kaffee!“ … Die meisten Hunde entspannen sich deutlich, sobald der Besuch ruhig irgendwo sitzt, also sorge ich dafür, dass genau das passiert.

Ich nutze jede sich bietende Gelegenheit, Hinweise meines Hundes aufzunehmen und Lösungen anzubieten. Er darf regelmäßig die Erfahrung machen, dass er verstanden und mit Problemen nicht alleingelassen wird. Dass ich tatsächlich Dinge regele.

Die meisten Hunde schaffen es übrigens, irgendwann auch den Umkehrschluss zu ziehen: Wenn mein Mensch das jetzt nicht regelt, dann ist es auch nicht wichtig! Mein Hund zum Beispiel schaut mich an, wenn ihn etwas erschreckt hat. Reagiere ich nicht, ist er beruhigt. Wenn es Grund zur Aufregung gäbe, hätte ich mich ja längst darum gekümmert …

„Ich regel‘ das!“ ist kein Anspruch, den ich formuliere, sondern ein Versprechen, das ich meinem Hund gegeben habe.

Warum „regeln“ allein dennoch nicht ausreicht

Schwierig wird die Sache, wenn mein Hund schon am Zaun steht, bevor ich auch nur „Post!“ gesagt habe. Oder in seiner Aufregung gar nicht in der Lage ist, mein Eingreifen wahrzunehmen. Dann benötigen wir Training. Und es kann immer mal Situationen geben, die ich nicht seinen Bedürfnissen entsprechend regeln kann. Deswegen trainieren wir, damit er auch solche Momente übersteht, ohne die Fassung zu verlieren.

„Ich regel das!“ hin, „ich bin selbstbewußt!“ her: Ganz ohne Übung geht es also nicht.
Ist auch logisch, oder?


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