… oder?

Groß, schwer, stur, dumm, eigenwillig und nicht erziehbar … zumindest nicht mit Wattebauscherl … das sind sie, die Molosser. Brauchen eine harte Hand.

Irgendwie begegnen uns in Bezug auf Molosser meist keine besonders netten Bezeichnungen … naja, außer von den eingefleischten Fans. Die lieben ihre Clowns. Doch selbst die haben oft in punkto Erziehung die Sorge, Kontrolle über solche Kraftpakete sei nur durch Härte möglich.

Abgesehen davon, dass das kein Hund braucht: Es ist auch nicht sinnvoll, bei den Molossern alle in einen Topf zu werfen, nur weil sie eine gewisse Bulligkeit gemein haben.

Lustigerweise ist die Gruppe der Molosser nämlich alles andere als gleichartig oder einheitlich. Im Gegenteil.

Was sind eigentlich Molosser?

Es wirkt ein bisschen so, als hätte man diese Rassen, die optisch nicht zu den anderen Rassen mit dem gleichen ursprünglichen Verwendungszweck (zB. Jagdhunde) gepasst haben, aussortiert und kurzerhand mit den Berghunden zusammengeworfen. Dabei hatten diese – Sarplaninac, Pyrenäen Berghund, Neufundländer, Hovawart, Landseer usw. – ursprünglich auch ganz unterschiedliche Aufgaben und Zuchtziele. Allerdings hat man für die Einordnung unter „Molosser“ nicht aus jeder Rassegruppe die muskulösen Rassen genommen … das wäre auch langweilig.

So bleiben die Staffs und Pits bei den Terriern und gelten trotzdem als die muskelbepackten Kampfmaschinen, die sie so gar nicht sind. Mops und Französische Bulldogge sind hingegen bei den Begleithunden zu finden. Kräftig sind die auch, aber eben klein und als Gesellschaftshunde gezüchtet.

Möchte man also bei den Molossern nach einer Gemeinsamkeit suchen, ist es vielleicht ihre Wachsamkeit. Die haben tatsächlich die meisten als ursprüngliches Zuchtziel. Naja, und die Tatsache, dass sich viele andere Hunde (und deren Halter:innen) vor ihnen fürchten … das allerdings auch nicht, weil sie tatsächlich so gefährlich wären.

Molosser als Listenhunde

Warum stehen Pits und Staffs dann mit einigen der Molosser auf diversen Rasselisten, wenn sie gar nicht gefährlich sind?

Die Kraft kann es ja nicht sein, denn dann stünden alle Molosser da drauf.

Ist es das Aggressionspotential? Mitnichten, denn selbst die, die tatsächlich für Kämpfe missbraucht werden, müssen jahrelang (und schon sehr früh beginnend) misshandelt werden, um sie überhaupt zum Beißen zu bekommen. Oft gelingt es nicht einmal dann.

Vielleicht ist es ja die Häufigkeit von Beißvorfällen … die gehen also schnell auf Menschen los? Nö! In keiner Beißstatistik führt ein Molosser oder Staff/Pit. Letztere wurden sogar extra auf ihre Freundlichkeit Menschen gegenüber selektiert. Was ist es dann?

Menschliche Dummheit. Merkt man schon daran, dass die Listen in jedem Land und Bundesland unterschiedlich sind. Es wurde ein Sündenbock gesucht und gefunden. Das sollte man sich immer wieder vor Augen halten, denn es löst in uns eine Angst vor bestimmten Rassen aus, und wer will schon mit Angst spazierengehen? Klar, wenn ein Staff in seiner Überschwänglichkeit auf einen Chihuahua springt, kann allein durch den Gewichts- und Größenunterschied schon etwas passieren. Das wäre bei einem Bernhardiner noch schlimmer – der gilt hingegen als freundlicher Riese.

Auch die Kiefersperre, die den Bulligen teilweise noch angedichtet wird, ist Quatsch. Es wurde behauptet, dass ein Staff oder auch eine Bulldogge das Maul nach einem Biss nicht mehr öffnen könne (das Opfer bleibt da also drin und der Kiefer geschlossen). Das würde bedeuten, dass jedes Mal, wenn der Staff ein Stofftier im Maul hat, eine Vollnarkose zur Kieferöffnung nötig wäre.

Molosser als Artgenossen

Immer wieder hört man auch: „Mein Hund hat einfach Angst vor denen, ich mag sie ja.“ Das stimmt sicher auch oft. Sehen wir uns also an, warum.

Manchmal liegt es daran, dass diese Rassen noch immer von vielen Hundeschulen abgelehnt werden, also auch an den Welpenkursen nicht teilnehmen können. Die anderen Hunde haben dann keine Gelegenheit, so einen Hund mal kennenzulernen. Der breite Kopf, die Falten, hängende Lefzen, Kippohren und eine etwas höhere Muskelspannung können schon Unsicherheit hervorrufen, wenn man so etwas noch nie gesehen hat. In etwa so, als träfe man im Fitnessstudio zum ersten Mal auf einen total konzentrierten Bodybuilder (also einen sehr muskulösen Menschen mit grimmiger Entschlossenheit im Gesicht).

Manchmal werden die Bulligen auch extra hart erzogen und müssen in Marschrichtung geradeaus an anderen Hunden vorbei gehen. Sie dürfen gar kein höfliches Verhalten zeigen – Bogen gehen, Wegsehen, Kopf senken und Schnüffeln usw. Fürs bloße Hinschauen werden sie auch noch am Kettenhalsband geruckt. So geführte Hunde wirken einschüchternd auf das Gegenüber, denn ihr Körper ist immer ein wenig steif.

Und schließlich fühlen sich manche Hunde sicher auch durch die übersprudelnde Energie oder den direkten Blick eingeschüchtert (vergleichbar mit Labrador bzw. Schäferhund).

Bei den Bulldoggen, Boxern und Shar Peis wiederum sieht die Sache schon speziell aus. Bulldoggen bewegen sich komisch durch die verbauten Körperpartien (je nach Rasse die Beine, die Wirbelsäule, die Hüfte, fehlende Rute usw.). Sie haben auch weniger Mimik durch die eingedrückten Gesichter oder hängenden Lefzen.

Diese Rassen sind in Punkto Schönheitsmerkmale unter den Molossern mit die ärmsten. Die kurzen Nasen verursachen erhebliche Gesundheitsprobleme und auch Schwierigkeiten in der Kommunikation – zur geringeren Mimik kommt noch ein röchelndes Atmen. Das übermäßig viele Fell in Falten verursacht Hautreizungen und Entzündungen und behindert ebenfalls die Kommunikation.

Dabei waren diese Hunde in ihrem ursprünglichen Zuchtziel für die Arbeit gemacht und entsprechend gesund und belastbar.

Molosser als Gebrauchshunde

Bulldoggen zB. wurden zur Hilfe beim Handling der Bullen im Schlachtbetrieb genutzt. Daher kommt auch ihr muskulöser Körper, denn sie mussten den Bullen mit vollem Körpereinsatz bewegen (ganz schön gefährlich). So entstanden übrigens auch ihre Durchsetzungskraft und ihr Mut. Immerhin wiegt so ein Bulle schon mal eine Tonne mehr als sie selbst. Ein Hund, der hier abließ und weglief, wurde sicher nicht in die Zucht genommen.

Der Boxer wiederum war ursprünglich ein Jagdbegleithund. Auch er musste frei atmen und extreme körperliche Belastungen aushalten können: Von ihm wurde erwartet, Beutetiere zu packen und zu fixieren, bis der Jäger kommt (ähnlich wie der Dogo Argentino). Auch Boxer mussten also dran bleiben und körperlich fit sein.

Shar Peis sollten zwar teilweise mit zur Jagd gehen, aber hauptsächlich das Grundstück oder Schiff bewachen. Daneben mussten sie ab und zu sogar hüten und treiben – die gleichen Aufgaben hatten Fila Brasileiro, Broholmer, Uruguayischer Cimarron, Cane Corso, Mallorca-Dogge und Mastiff (… wobei der nicht wachen, sondern im Krieg kämpfen sollte wie der Mastino Napoletano).

Wir sehen also, viele der Molosser waren einmal Jagdbegleithunde. So wurden zB. auch Doggen bei der Jagd eingesetzt, wobei sie schon früh den Status eines Prestige-Tieres bekommen haben und lieber die Kammern der Adeligen wärmen sollten. Die wussten um die Vorteile eines Hundes im Schlafzimmer. 

Die Rottweiler haben mit den Cao Fila de Sao Miguel tatsächlich ein bisschen eine Sonderstellung in den Molossern, denn sie wurden ursprünglich für das Treiben von Rindern und anderen großen Tieren eingesetzt. Dazu braucht es einen ziemlich festen Blick (zusätzlich zu den anderen Eigenschaften, die auch die Jagdbegleithunde brauchen). Den haben sie auch heute noch und der kann schon mal einschüchtern. Und auch die Vorliebe, beim Spielen irgendwo reinzubeißen, ist ihnen geblieben (so sieht ein spielender Rottweiler oft ein bisschen aus wie ein Aussie, nur größer und schwerer).

Die meisten Molosser sind heute Begleit- und Wachhunde. Einige von ihnen, wie Bullmastiff oder Presa Canario, wurden schon früher ausschließlich für diese Aufgaben gezüchtet.

Und leider kommt auch die Geschichte der Hundekämpfe immer wieder vor.

Shar Peis wurden auch für Kämpfe eingesetzt, ebenso wie die Bordeauxdoggen, die heute aufgrund ihrer Masse sicher nicht mehr kämpfen könnten. Die Falten dienten ursprünglich als Schutz gegen Verletzungen und sollten den Hund natürlich nicht behindern. Doch wie immer, wenn man etwas übertreibt, sieht das jetzt anders aus. Der Tosa wurde sogar ursprünglich speziell für den Zweck gezüchtet, wobei er den Gegner nicht verletzen oder töten sollte (wie das heute der Fall wäre), sondern ihn zu Boden ringen.

Das macht diese Hunde aber keineswegs unsozial oder gar gefährlich. Sie sind ganz normale Hunde, die Sozialverhalten durch den Kontakt mit Artgenossen lernen. Und wie andere Hund auch, brauchen sie dabei manchmal Unterstützung.

Molosser als … Hunde!

Deshalb ist es so wichtig, die Etiketten und Stigmata beiseite zu schieben und vorrangig einen Hund zu sehen. Mit all seinen persönlichen Eigenschaften und Besonderheiten.

Denn ob Molosser, Gesellschafts- und Begleithund oder andere „Kategorie“: Jedes Tier ist individuell und besonders. Das dürfen wir nie vergessen.


Foto © Kurt Pas via canva.com