… ist eine Fertigkeit, die vielen Hundehalter:innen ungeheuer wichtig zu sein scheint: Der Hund soll nicht unkontrolliert auf die Fahrbahn laufen, sondern sich erst einmal setzen und auf die Freigabe durch seinen Menschen warten.
Das ging mir mit meinem ersten Hund nicht anders! Allerdings sind mir seinerzeit relativ schnell Zweifel am praktischen Nutzen dieser Übung gekommen …
Mal ganz konkret
Was tun, wenn die Fußgänger:innenampel just dann auf „grün“ springt, wenn wir den Überweg erreichen? Den Hund absetzen, belohnen und hoffen, dass die Grünphase lange genug andauert, um anschließend auch noch die Straße zu überqueren? Ihn – falls nicht – weiter absitzen lassen, bis die nächste Grünphase beginnt? Einen Welpen oder Junghund womöglich, dem das Bleiben noch ungeheuer schwer fällt?
Schlimmer noch fand ich solche Momente, in denen aufmerksame und freundliche Autofahrer:innen angehalten haben, um mich und mein Hundekind über die Straße zu lassen. War es wirklich angemessen, die ganze „absitzen – warten – Freigabe“-Nummer durchzuziehen, anstatt mich freundlich zu bedanken und einfach die Straße zu überqueren?
Ich habe mich dann relativ schnell für einen anderen Weg entschieden: Mein Hund hat gelernt, sich an der Leine meinem Tempo anzupassen – das A und O der Leinenführigkeit also! – und stehen zu bleiben, wenn ich das tue. Sich ständig auf mein Gehtempo zu konzentrieren, war natürlich anstrengend, deswegen habe ich es ihm leichter gemacht, indem ich „okay!“ gesagt und ein entsprechendes Handzeichen gegeben habe, sofern wir die Fahrbahn sofort überqueren konnten. Und „warte bitte!“, wenn das nicht möglich war.
Wird er halt überfahren
Denn mal abgesehen davon, dass in den allermeisten Gemeinden sowieso Leinenpflicht herrscht und Hunde gar nicht in die Verlegenheit kommen sollten, unkontrolliert auf die Fahrbahn laufen zu können: Warum sollte es ihre Verantwortung sein, sich permanent zu konzentrieren, um nur ja alles richtig zu machen?
Wir verlangen unseren Hunden eine Menge ab, wenn wir mit ihnen in der Stadt unterwegs sind: Niemanden belästigen, keinen Krach mit Artgenossen anfangen, keine Hauswände anpinkeln, nicht auf den Gehweg kacken, kein Futter aufnehmen, keine Katzen oder Tauben jagen und – da war noch was! – sich einfach nicht überfahren lassen.
Ist es wirklich die „Freiheit“ unserer Hunde, ohne Leine in der Stadt unterwegs zu sein, oder sind wir das, die sich in dem Gefühl sonnen, unsere Hunde könnten „frei laufen“? Ist es ihre Freiheit, oder unser Stolz darauf, sie so sehr unter Kontrolle zu haben, dass sie stets und überall „frei“ laufen können?
Unter Kontrolle
Es ist ein Widerspruch in sich, ein Lebewesen perfekt „unter Kontrolle“ zu haben, damit dieses sich „frei“ bewegen kann!
Ich für mein Teil bin mir nicht einmal sicher, ob Hunde diese Art von „Freiheit“ wirklich für erstrebenswert halten. Hunde sind hoch soziale Lebewesen: Ihnen ist wichtig, sich zugehörig zu fühlen! Hunde möchten ihren Platz in einem sozialen Gefüge finden, vielleicht eine Aufgabe haben, und sie möchten darüber hinaus einfach gesehen werden!
Das kann ich – um beim Spaziergang durch die Stadt zu bleiben – erreichen, indem wir diese Aufgabe gemeinsam lösen: Nicht mein Hund muss sich stereotyp an jedem Bordstein hinsetzen, sondern wir gehen gemeinsam durch die Stadt! Die Leine dient uns nicht als Notbremse, sondern sie ist unsere Art, miteinander „Händchen zu halten“.
Foto © MorozVyacheslav via canva.com