… oder die Höflichkeit unserer Hunde
Viele Hundehalter:innen sind erschrocken und aufrichtig empört, wenn der eigene Hund sie plötzlich anknurrt: „Der hat mich nicht anzuknurren!“
Tatsächlich ist Knurren jedoch weder etwas Ungebührliches noch ein Zeichen übersteigerter Aggression, sondern nichts anderes als eine Bitte um Distanz:
„Bitte komm mir nicht so nah!“
„Bitte lass mich in Ruhe essen!“
„Bitte fass mich da nicht an!“
Sprechen können Hunde schließlich nicht.
Wenn mein Hund mich anknurrt …
… habe ich bereits eine ganze Reihe subtilerer Signale übersehen: Die Körperspannung hat sich erhöht, der Blick ist weniger weich geworden, seine Mimik reduziert … oder aber mein Hund hat bereits gelernt, dass ich dezente Hinweise nicht verstehe, und wird sofort deutlicher.
Was geschieht nun, wenn ich empört reagiere und ihm das Knurren verbiete? Mein Hund lernt, dass auch sein Knurren mich nicht dazu bewegt, seine Bitten, seine Bedürfnisse ernst zu nehmen.
Jetzt können zwei Dinge passieren:
Mein Hund schließt aus dieser Erfahrung, dass er noch deutlicher werden muss, und beißt mich bei der nächsten Gelegenheit. Ohne Vorwarnung! Denn er hat gelernt, dass ich freundliche Bitten nicht wahrnehme und deutlichere verbiete.
Oder es ist mir gelungen, ihn mit meinem Verbot so sehr einzuschüchtern, dass er es nicht mehr wagt, seine Bedürfnisse zu äußern. Ich für mein Teil möchte das nicht.
Was ich stattdessen tue: Ich weiche auf sein Knurren hin sofort zurück! Je nach Situation zeige ich außerdem deeskalierendes Verhalten – wende den Blick bzw. Kopf ab, mache einen Bogen, wenn ich an ihm vorbei möchte.
Ja, dann lernt er, dass er mit Knurren seinen Willen durchsetzen kann.
Und genau das darf er auch ruhig lernen. Er darf lernen: „Spätestens, wenn ich laut werde, versteht sie, was ich möchte“. Zukünftig werde ich in ähnlichen Situationen aufmerksamer sein, auf feinere Signale achten und mich früher entsprechend verhalten. Auch dadurch lernt mein Hund etwas: „Ich darf knurren, aber ich muss nicht – sie versteht mich auch so“.
Und jetzt wird es spannend!
Hunde (und andere Tiere), die gelernt haben, dass ihre Signale verstanden und ihre Bedürfnisse respektiert werden, lassen sich auf Kompromisse ein! Sie halten eine unangenehme Situation länger aus, weil sie wissen, dass sie diese jederzeit auflösen können. Bei uns Menschen ist das übrigens nicht anders.
Dass mein Hund jetzt nicht dort angefasst werden oder mich jetzt nicht so nah an seinem Napf haben möchte, heißt natürlich nicht, dass das letzte Wort gesprochen wäre! Das ist nur jetzt, in diesem Moment so. Ich kann die Situation ja für die Zukunft durch Training verändern.
Im Tiertraining wird hierzu oft ein sogenanntes Kooperationssignal verwendet: Der Hund lernt, sein Kinn in die Hand des Menschen zu legen, das Pferd, die Vorderhufe auf ein Brett zu stellen – beides zum Zeichen, dass eine Handlung des Menschen (z.B. die Ohren untersuchen, Augentropfen verabreichen) jetzt ohne Widerstand geduldet wird. Das Tier kann sein Einverständnis geben! Wird das Kooperationssignal unterbrochen, bricht auch die (Be)handlung ab: Es gibt eine Pause. Außerdem wird die Kooperation selbstverständlich regelmäßig belohnt!
Knurrt mein Hund mich an, weil ich mich ihm zum Beispiel nähere, während er frisst, kann ich die Situation angenehmer gestalten. Ich kann ihm zum Beispiel hochwertige Futterbröckchen zuwerfen, damit er lernt, dass meine Annäherung für ihn von Vorteil ist. Knurrt er, weil ich zu ihm auf’s Sofa möchte, bringe ich ihm bei, auf Signal einen anderen Platz aufzusuchen.
Grundsätzlich ist es sinnvoll, Hunde gar nicht erst in die Verlegenheit zu bringen, uns anknurren zu müssen! Das erreiche ich durch entsprechend vorausschauendes Training. Andererseits lohnt sich auch die Mühe, eine gemeinsame Kommunikation zu entwickeln: Kleine Signale des Hundes wahrnehmen und korrekt deuten zu lernen, selbst entsprechend fein darauf zu reagieren. Das versetzt uns in die Lage, überraschend auftretende Konflikte im „Gespräch“ gütlich zu klären.
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