Welche Hundehalter:in hätte diesen Ausspruch noch nicht gehört? Oft wird er in beruhigendem Tonfall geäußert, hin und wieder auch ein wenig gönnerhaft: Wer das nicht weiß, hat keine Ahnung von Hunden! Und ist ein Weichei. Schon Konrad Lorenz wusste zu berichten, dass die Streitereien unter seinen eigenen und den Dorfhunden ihm keine Sorgen bereiteten: Seine Hunde pflegten diese nämlich zu gewinnen.
Von Menschen, deren Hund in einer beginnenden Kabbelei den Kürzeren zu ziehen droht (oder ihn schon einmal gezogen hat), ist so etwas dagegen eher nicht zu hören.

Was ist dran?

Selbstverständlich sind Hunde in der Lage, Konflikte zu klären, ohne dass der Mensch hierbei eingreift! Alle Lebewesen können das.

Wer „Mutter Natur“ in dieser Frage ihren Lauf lassen möchte, sollte allerdings auch mit dem Prinzip der natürlichen Auslese klarkommen: Eine solche Klärung geht womöglich mit Traumata, mehr oder weniger schweren Verletzungen und unter Umständen auch mit dem Tod eines der Kontrahenten einher. Sofern diese Konsequenzen akzeptabel erscheinen, steht einer zünftigen Rauferei nichts im Wege!

Geht’s auch anders?

Grundsätzlich sind Hunde sozial lebende Tiere, die sehr fein und differenziert kommunizieren können. Greift ein Hund in einer „Diskussion“ mit einem hündischen Gegenüber zu aggressiver Kommunikation (steif werden, fixieren, knurren), und dieses Gegenüber „rudert zurück“, ist kein Eingreifen seitens des Menschen vonnöten.

Passiert das nicht, sieht die Sache schon anders aus: Ein gelassener, souveräner Hund wird seiner Aufforderung im Zweifel Nachdruck verleihen, deutlicher werden und auf diese Weise den Konflikt für sich entscheiden. Ein eher unsicherer Zeitgenosse gerät vielleicht unter Stress und reagiert unangemessen heftig. Letzterer lernt in diesem Moment, dass feine Signale übersehen werden, und wird bei der nächsten Gelegenheit vorsichtshalber gleich „laut werden“.

Aber auch das jeweilige Gegenüber lernt etwas. Welpen oder Junghunde nehmen in ihrer Begeisterung, einen Artgenossen kennenzulernen, feine Signale oft nicht gleich zur Kenntnis. Eine Eigenschaft, die auch erwachsenen Hunden mancher Rassen nachgesagt wird. Haben solche Hunde Gelegenheit, das von einem souveränen Hund noch einmal genauer erklärt zu bekommen: Wunderbar! Stoßen sie dagegen auf einen, der bereits lernen musste, dass nur eine laute und grobe Ansage hilft, verstehen sie die Welt nicht mehr. Solche und ähnliche Erfahrungen prägen unsere Hunde weit über die konkrete Begegnung hinaus!

Was also tun?

Dagegen hilft nur eines: Eine ebenso feine Kommunikation unter den beteiligten Menschen.

Kein „Der will nur mal HALLO sagen!“, kein „Der will nur spielen!“ sondern eine Verständigung darüber, ob eine Begegnung überhaupt erwünscht ist! Idealerweise auch ein kurzer Austausch darüber, wie die beteiligten Hunde „drauf sind“. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass beide Menschen in der Lage sind, das Verhalten ihres Hundes in der aktuellen Situation gut einzuschätzen.
Ist die Begegnung allseits erwünscht, haben die beteiligten Menschen eine wunderbare Gelegenheit, sich in Multitasking zu üben: Sie behalten die Hunde im Auge, tauschen sich darüber aus, ob die Begegnung durchgängig positiv verläuft und – falls nicht – wie sie diese gütlich beenden können. Wenn sie es darüber hinaus noch schaffen, nett miteinander zu plaudern: Wunderbar!

Katrin Andres leitet in ihrem Buch* Hundehalter:innen sehr schön dazu an, Hundekontakte achtsam anzubahnen und zu begleiten.

Hier geht es zur ausführliche Rezension: „Mobbing auf der Hundewiese – Freilaufbegegnungen einschätzen und entspannen“

Was, wenn es trotzdem Streit gibt?

Trotz aller Achtsamkeit und Vorbereitung kann es vorkommen, dass es plötzlich doch „rappelt im Karton“: Weil die Hunde schneller kommuniziert haben, als die Menschen gucken konnten, weil unverhofft eine Ressource ins Spiel gekommen oder sonst etwas schief gelaufen ist. Dann kann’s sehr schnell sehr laut und turbulent werden!

Für diesen Moment gibt es ein hochwichtiges Mantra: „Die allermeisten Auseinandersetzungen unter Hunden sind Kommentkämpfe!“
Hier hat tatsächlich „Mutter Natur“ die Hand im Spiel, denn in freier Wildbahn gibt es keine tiermedizinische Versorgung! Heißt, grundsätzlich kämpfen viele Tiere mit Artgenossen so, dass sie einander nicht lebensbedrohlich verletzen. Was nicht bedeutet, dass es nicht doch geschehen kann – beabsichtigt jedoch ist es normalerweise nicht. Mittelalterliche Turniere zum Beispiel, bei denen die Kontrahenten in voller Rüstung aufeinander zu reiten, sich letztlich aber nur mit stumpfen Lanzen vom Pferd zu schubsen versuchen, sind klassische Kommentkämpfe. Und auch wenn solche Auseinandersetzungen unter Hunden mit großem Getöse und reichlich Dynamik einhergehen, ist in Zeitlupen-Aufnahmen (sofern vorhanden) regelmäßig zu sehen, dass beide sehr sorgsam am Gegner vorbei schnappen.

Doch … natürlich … es gibt sie, die erschütternden Gelegenheiten, bei denen ein Hund sich mit unmittelbarer Tötungsabsicht auf einen anderen stürzt! Dennoch verhalten sich solche Vorkommnisse wie Morde in Relation zu Kneipenschlägereien: Sie sind die Ausnahme, nicht die Regel.

Kommentkämpfe trennen

Häufig ist das gar nicht nötig: Ebenso schnell, wie der Krach begonnen hat, ist er schon wieder vorbei und beide Hunde verhalten sich, als wäre nichts geschehen. Dauert der Kampf länger als ein paar Sekunden, ist es sinnvoll, einzugreifen.

Die Hunde abzurufen, geht in diesem Moment mit gewissen Tücken einher: Das kann klappen, es kann aber auch dazu führen, dass ein Hund dem Ruf folgt und der andere „nachsetzt“. Es ist daher sinnvoller, dass beide Menschen sich (gegebenenfalls geräuschvoll) entfernen – dazu reichen wenige Meter. Im Regelfall werden die Hunde bestrebt sein, ihrem Menschen zu folgen, und können das auf diese Weise ohne „Gesichtsverlust“ tun.

Fruchtet das nicht, können die Menschen hingehen und die Hunde „einsammeln“: Sich ruhig und gelassen nähern, die Hunde anleinen, am Geschirr oder um den Brustkorb greifen und langsam auf Distanz bringen. Hierbei sind die entscheidenden Stichworte definitiv „ruhig“ und „gelassen“! Wenn ich mich stattdessen brüllend in die Schlacht stürze, muss mein Hund annehmen, ich sei zu seiner Unterstützung herbeigeeilt. Auch das Beschimpfen der „gegnerischen“ Hundehalter:in macht nichts besser. Stimmungsübertragung ist nicht zu unterschätzen! Nie.

Nach einer solchen Trennung sollten die Hunde gesichert, aber nicht sofort außer Sichtweite gebracht werden. Idealerweise verbringen sie noch eine entspannte Zeit (mit reichlich Distanz und Gelegenheit zum Schnüffeln) miteinander, damit kein „Groll“ zurückbleibt, der vielleicht bei der nächsten Begegnung ausgetragen werden muss.

Grenzfall „drüber stehen“

Hin und wieder kommt es vor, dass ein Hund über seinem Kontrahenten zu stehen kommt, während dieser auf dem Rücken liegt. Dabei ist es nicht ungewöhnlich, dass der liegende Hund im Kehlbereich nach unten gedrückt wird. Und ja: Das ist ganz grauenvoll anzuschauen!

Tatsache ist jedoch, dass solche Situationen sich in aller Regel von selbst auflösen: Sowie der liegende Hund sich entspannt und den Blick abwendet, geht der Stehende einfach weg! Nur wenn der unterlegene Hund in Panik gerät, ist ein Eingreifen des Menschen notwendig: Der stehende Hund wird sehr ruhig und vorsichtig weggeführt, während der andere an Ort und Stelle gehalten wird, damit er nicht seinerseits attackieren kann.

Ernstkämpfe trennen

Um es noch einmal zu betonen: „Die allermeisten Auseinandersetzungen unter Hunden sind Kommentkämpfe!“ Bei einem Ernstkampf hingegen agiert mindestens einer der Hunde mit ernsthafter Beschädigungs- oder gar Tötungsabsicht. Er hält sich nicht mehr mit Getöse und großen Gebärden auf, sondern handelt leise und effizient. Gebissen wird in solche Körperregionen, in welchen eine Verletzung unmittelbar lebensgefährlich ist.

Obacht: Nicht jedes Packen im Halsbereich deutet auf einen Ernstkampf hin – häufig wird der Gegner lediglich mit weit geöffnetem Maul heruntergedrückt.

Soweit sollte es bei einer achtsamen Anleitung von Begegnungen gar nicht erst kommen! Andererseits sind nur in einer idealen Welt alle Begegnungen einvernehmlich …

Wenn Menschen sich in Auseinandersetzungen unter Hunden einmischen, besteht immer eine gewisse Verletzungsgefahr – das ist insbesondere bei Ernstkämpfen der Fall, weswegen hier die Sicherheit des Menschen im Vordergrund steht. Ein probates Mittel ist ein Eimer kaltes Wasser, der über den Hunden ausgeleert wird. Aber wer hat beim Spaziergang schon einen Eimer Wasser dabei? Alternativ können Jacken über die Hunde geworfen werden. Dergestalt eingepackt und in ihrer Sicht behindert, ist es häufig einfacher, Distanz zwischen die Kontrahenten zu bringen.

Wenn alle Stricke reißen, können die Hunde in Fell oder Haut an Nacken und Po gepackt, hochgehoben und so getrennt werden. Wenn die Pfoten den Boden nicht mehr berühren, verringert sich der Aktionsradius erheblich. Alternativ wird jeder Hund von seinem Menschen an den Hinterläufen gepackt – und zwar mit gekreuzten Armen, so dass der Hund sich vom Menschen weg dreht und diesen nicht beißen kann – und hochgehoben.

Es sei denn – und das ist wichtig! – sie haben sich ineinander verbissen! Wenn ich sie dann beherzt in zwei verschiedene Richtungen wegzerre, bin ich diejenige, die schwere Verletzungen verursacht! Wenn Hunde sich ineinander verbissen haben, hilft nur, sie zu halten (mit Druck zum Gegner hin, nicht von ihm weg) bis sie loslassen, oder aber, ihnen die Luft abzudrücken, bis sie nachgeben, weil das Bewusstsein schwindet …

Klingt furchtbar? Ist es auch!

Genau aus diesem Grunde sollten Menschen alles darein setzen, sich und ihre Hunde nicht in eine solche Situation zu bringen!

Wir alle mussten – als wir den Führerschein gemacht haben – einen „Erste Hilfe“-Kurs absolvieren. Das ist auch richtig so. Aber in allererster Linie haben wir gelernt, vorausschauend zu fahren und Unfälle zu vermeiden! Und während bei Erster Hilfe gilt, dass ungeschickte Versuche besser sind, als nichts zu tun, kommt es bei der Trennung von kämpfenden Hunden leider immer wieder dazu, dass panische, überreagierende Menschen die Situation noch schlimmer machen, als sie sowieso schon ist. Dass sie zu Verletzungen beitragen, die es ohne ihr Eingreifen nicht gegeben hätte.

Präventiv handeln!

Je mehr Menschen darauf achten, Hundebegegnungen einvernehmlich anzubahnen und diese achtsam zu begleiten, desto weniger „Erste Hilfe“ ist nötig!

  • Einvernehmen herstellen
  • Begegnung anleiten
  • Verhalten aufmerksam beobachten
  • Interaktion frühzeitig beenden

Es ist wahrlich nicht das Ziel dieses Artikels, Angst vor Begegnungssituationen zu schüren! Im Gegenteil: Auch für den „worst case“ ein wenig gewappnet zu sein, macht eher gelassener. Wer sich wirklich unsicher ist, was die Absichten und Fähigkeiten des eigenen Hundes in Begegnungssituationen angeht, kann sich Unterstützung holen! Da wäre zum Beispiel die Möglichkeit, sich auf dem Spaziergang von einer Trainer:in begleiten und sie das Verhalten einschätzen zu lassen – zu empfehlen sind die qualifizierten Kolleg:innen von Trainieren statt dominieren oder dem IBH e.V. „Sprich Hund“ bietet in seiner Facebook-Gruppe zudem die Gelegenheit, Videos des eigenen Hundes einzustellen und von Trainer:innen wie anderen Hundehalter:innen wertvolles Feedback zu bekommen.


Wer mehr zum Thema lesen möchte, dem können wir die folgenden Artikel von Kolleg:innen nur ans Herz legen!

Wibke Hagemann: „Die machen das unter sich aus!“

Martina Maier-Schmid: „Die klären das schon untereinander!“

Anne Bucher: „Tipps zum Umgang mit freilaufenden Hunden“

Buchtipps *

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