Tja, und was mache ich nun, wenn ich weiß, dass mein Hund nicht alleine bleiben kann? 

Betreuung 

Regel Nummer 1: Ihn nicht alleine lassen. Ich weiß, das klingt sehr anstrengend und einschränkend – ich habe dies selbst mehrmals mit meiner eigenen Hündin durch. Ich kann dich also sehr gut verstehen. Aber wie wir schon in Trennungsstress Teil 1 gelernt haben, ist es massiver Stress für den Hund, Trennungsstress zu erfahren und nicht entspannt alleine bleiben zu können! 

Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit, den Hund von professionellen Sitter:innen betreuen zu lassen. Diese Menschen sind geschult darin, sich um Hunde zu kümmern und sie angemessen zu versorgen. Aber auch hier gibt es gut geführte Gassi-Services, Tagesstätten oder Pensionen … und weniger gute. Zu viele Hunde, “hartes Durchgreifen”, die Hunde sich selbst überlassen oder nur draußen untergebracht zu sein – das sollte nicht an der Tagesordnung sein. Gerade für leicht erregbare Hunde können größere Hundegruppen durchaus stressend sein, was sich als allgemeiner Hintergrundstress bemerkbar macht und sich dann wieder auf den Alltag und das Training übertragen kann – egal ob Hundebegegnungen, Rückruf oder Alleinbleiben-Training. 

Es gibt auch die Möglichkeit, Menschen zu suchen, die privat auf deinen Hund aufpassen können. Ob da nun Nachbar:innen, Freund:innen oder die Familie in Frage kommen, hängt von deinem Umfeld und dem Charakter deines Hundes ab. Besonders aufmerksam solltest du bei privaten Anzeigen von minderjährigen Personen hinsehen. Hier spielen viele Faktoren wie Erfahrung, Kraft, Einschätzungsvermögen und vor allem die Rechtslage eine große Rolle. Kinder und Jugendliche dürfen erst ab 14 – 16 Jahren einen Hund führen, das ist in den meisten Hundehalter-Haftpflichtversicherungen so vorgesehen. Sollte hier also ein Unfall passieren, haften eventuell die Eltern oder du selbst – und das kann blöd ausgehen.  

Routine / Rituale  

Wenn du nun die Betreuung deines Hundes während deiner Abwesenheit organisiert hast, geht es ans Training. 

So oft wie möglich am Tag einfach raus und rein gehen wurde dir sicher schon empfohlen – das ist leider genau der falsche Ansatz. Wie schon im ersten Teil beschrieben, ist es bei Hunden mit Trennungsstress oder Schwierigkeiten beim Alleinbleiben besonders wichtig, ihnen Erwartungssicherheit zu geben. Das wird nichts, wenn wir total unvorhersehbar für den Hund sind und immer wieder unangekündigt die Wohnung verlassen. Erwartungssicherheit erreichen wir durch zuverlässiges Handeln unsererseits, mit festen Ritualen und Routinen, die wir einhalten. 

Das heißt, auch “kleine” Trennungen wie in den Keller, zum Müll oder zum Briefkasten gehen können für deinen Hund stressig sein. Wenn er hier immer wieder die Erfahrung macht, “da durch zu müssen”, obwohl er wartet, bellt, jault oder destruktives Verhalten während der Trennung zeigt – ist es sehr gut möglich, dass sich das auf euren Alltag und das Alleinbleiben-Training auswirkt. Denn so wird deine Abwesenheit, auch wenn sie nur ganz “kurz” ist (was auch sehr individuell ist), immer wieder negativ mit dir, dem Raum/Wohnung, den Rand- und Rahmenbedingungen und dem Alleinbleiben verknüpft. Sonderlich hilfreich für deine neuen Routinen und Rituale ist es zudem auch nicht. 

Rausschleichen? 

“Geh einfach ganz leise, dann ist es nicht so schlimm für ihn”, auch das wurde dir empfohlen? Lass es lieber bleiben. Denn dies entspricht nicht den oben angesprochenen Ritualen und Routinen, welche wir nutzen möchten. Das Rausschleichen wird meistens empfohlen, weil man in viel zu großen Schritten trainiert, obwohl der Hund eigentlich Schwierigkeiten mit dem Alleinbleiben hat. Das muss nicht unbedingt an der Dauer des Alleinbleibens liegen, sondern beginnt schon beim Verlassen der Wohnung. Das heißt, bevor ich an der Dauer trainieren kann, muss ich erst einmal am Verlassen der Wohnung arbeiten. 

Wenn man sich rausschleicht, bekommt es der Hund ja nicht mit und bellt und jault auch nicht? Leider ist dem nicht so. Hier verstecken sich gleich mehrere Fallstricke. 

Zunächst einmal findet der Hund das Alleinbleiben immer noch schlimm und „kann“ es nur, weil er ja denkt, dass du noch da bist. Das ist weder fair dem Hund gegenüber noch wirklich zielführend. Denn was ist, wenn er anfängt, nach dir zu suchen, und merkt, dass du nicht mehr zuhause bist? Und glaub mir, sie hören, riechen und wissen, dass du jetzt nicht mehr da bist. Dann setzt der Trennungsstress erst richtig ein. Auch hier, wir erinnern uns: Trennungsstress kann wie körperlicher Schmerz wahrgenommen werden. Zudem kann es sein, dass dein Hund dir in Zukunft erst recht auf Schritt und Tritt folgt, um dich ja nicht wieder aus den Augen zu verlieren, und noch schwerer zur Ruhe kommt. 

Außerdem – was, wenn dir beim Gehen etwas herunterfällt, die Tür lauter schließt oder sonst ein unvorhergesehener Reiz passiert? Richtig, auch dann setzt das oben genannte Szenario ein und dein Hund verfällt in Trennungsstressverhalten. Deinem Plan, ein entspanntes Alleinbleiben aufzubauen, steht das Rausschleichen also ziemlich im Weg – weg damit. 

Direkt rausgehen? 

Dir wurde empfohlen, direkt rauszugehen, und sobald du draußen stehst, fängt dein Hund an zu bellen? Dann war der Schritt leider zu groß. Ich kann verstehen, wenn man sich kleinschrittiges Alleinbleiben-Training so vorstellt, im Sinne von „kurze Einheiten“ trainieren. Das klingt vielleicht für dich kleinschrittig, für den Hund muss es das noch lange nicht sein, denn da gehört weit mehr dazu. Überlege erst einmal, wo in der Wohnung dein Hund alleine bleiben soll. Dann überlegst du, welchen Weg du von dort bis nach draußen auf den Gehweg zurücklegen musst. “Ja, nach draußen gehen halt”, denkst du dir jetzt vielleicht. 

Ich meine aber: Welche kleinen Mini-Schritte gehören dazu, bis du komplett aus dem Haus bist? Ist dein Hund im Wohnzimmer alleine, haben wir dort schon einmal die Wohnzimmertür. Dann gibt es vielleicht noch eine Flurtür. Dann stehst du zwar im Flur, bist aber noch nicht aus der Wohnung. Da hast du also noch die Wohnungstür. Wohnst du in einem Einfamilienhaus oder in einem Mietshaus? Dann kommen da nämlich noch Treppenhaus oder Aufzug dazu – je nachdem, in welchem Stock du wohnst. Das sind ziemlich viele einzelne Zwischenschritte, oder? Wenn wir diese einfach “übergehen” und direkt nach draußen gehen, ist das mit großer Wahrscheinlichkeit alles zu viel für deinen Hund. Das heißt, nimm dir wirklich Schritt für Schritt vor und arbeite sie einzeln ab. 

5 Minuten? 

Wie schnell der Hund lernt, alleine zu bleiben, ist extrem individuell. Ich hatte eine Hündin im Training, die konnte binnen vier Wochen ganze fünf Stunden alleine bleiben. Hier lag aber auch zu Beginn kein Trennungsstress vor. Sie hatte nur nie gelernt, alleine zu bleiben. Ein guter, kleinschrittiger Trainingsplan brachte den Erfolg. Aber auch sie zeigte Verhalten wie warten oder bellen – hier musste ich also den Trainingsplan noch einmal verändern. Es gibt aber auch Hunde, da sind wir nach mehreren Wochen erst bei 15 bis 30 Minuten – und das ist vollkommen okay. 

Wir wissen, Alleinbleiben ist das Unnatürlichste der Welt für den Hund. Nur gibt es eben Hunde, die das doch recht schnell lernen, und andere, denen es deutlich schwerer fällt. So individuell wie die Hunde sind, gestalten sich auch die Trainingspläne. Was ich jedoch nicht mache, ist direkt mit fünf Minuten anzufangen und die Wohnung zu verlassen. 

Denn auch dies wird gern empfohlen, “geh erst mal fünf Minuten raus, dann zehn, dann fünfzehn …”. Das kann gut gehen – tut es aber in vielen Fällen nicht. Starte lieber mit Sekunden und erhöhe in dem Tempo und in den Schritten, in denen dein Hund entspanntes Verhalten zeigen kann. Liegt dein Hund entspannt herum, ruht oder schläft sogar – perfekt, nach oben mit der Zeit. Wartet dein Hund, bellt, jault oder zerstört sogar Dinge, war es zu viel und du musst kleinschrittiger anfangen.

Während ihr im Bereich von zwei bis zehn Minuten trainiert, kannst du die Alleinbleiben-Zeit in Schritten von ein bis drei Minuten erhöhen. Habt ihr zehn Minuten erreicht, steigerst du die Zeit in Schritten von fünf bis zehn Minuten, und ab einer Stunde Alleinbleiben kannst du die Trennungszeit in Schritten von zehn bis fünfzehn Minuten erhöhen. 

Erreichte Alleinbleiben-Zeitpro Trainingsschritt erhöhen um
2-10 Minuten1-3 Minuten
10-60 Minuten5-10 Minuten
ab 60 Minuten10-15 Minuten

Der ist total ruhig? 

Ja, das kann durchaus sein, heißt aber nicht, dass dein Hund entspannt alleine ist. Oft höre ich von Teams, die zu mir ins Alleinbleiben-Training kommen, dass Nachbar:innen noch nie was gehört haben, aber der Hund auf einmal keine vier Stunden mehr alleine bleiben kann und Dinge zerstört. Leider ist es in den meisten Fällen so, dass sich das “nicht mehr entspannt Alleinbleiben” schon lange vorher leiser angekündigt hat – oder der Hund es noch nie konnte. 

Daher ist ein weiteres wichtiges Equipment die Kamera. Nur so können wir effektiv trainieren, das Alleinbleiben richtig auswerten und wirklich beurteilen, ob der Hund entspannt alleine bleiben kann oder nicht. 

Der gesamte Bereich, in dem dein Hund sich bewegen kann, sollte von einer oder mehreren Kameras abgedeckt sein. Wenn du eine Kamera hast, der Hund aber aus dem Bild verschwindet, ist wieder keine Aussage darüber zu treffen, ob der Hund alleine bleiben kann oder nicht. Denn dass der Hund keine Lautäußerung zeigt, heißt nicht, dass er keinen Stress hat. Wie schon in Teil 1 beschrieben, gibt es viele verschiedene trennungsbezogene Verhaltensweisen. Bellen, jaulen und fiepen gehören zu den Varianten, welche man hört. Aber auch warten, umherlaufen, nur an der Tür liegen, aus dem Fenster schauen oder nicht den Kopf ablegen können sind deutliche Zeichen, dass der Hund gerade Schwierigkeiten mit der Trennung hat. Wenn wir diese übergehen und die Trennungszeit immer weiter verlängern, kann es sein, dass das Verhalten irgendwann einbricht und der Hund “plötzlich” nicht mehr alleine bleiben kann. Doch das stimmt nicht, denn er hat es schon lange vorher angekündigt. 

Schlüsselreize 

Lange ist man so vorgegangen, Schlüsselreize bis zum Abwinken zu desensibilisieren, also etwa so oft mit dem Schlüssel zu klimpern, bis der Hund das Geräusch nicht mehr mit dem Weggehen des Menschen verbindet. Was einerseits nur bei einigen Hunden funktioniert hat und lange nicht bei allen, ist zudem noch überholt. Es frisst nicht nur unglaublich Zeit, nein, es ist auch noch sinnlos. Denn spätestens dann, wenn wir den Schlüssel, die Schuhe oder die Jacke tatsächlich beim Gehen – also beim Alleinbleiben – benutzen, gewinnen sie wieder an Bedeutung, werden ein auslösender Reiz. Wir haben nicht nur unglaublich viel Zeit verschwendet,  wir hätten sie gleich viel besser nutzen können! 

Schau dir genau an, welche Zwischenschritte du tun musst, um am Ende mit angezogenen Schuhen vor der Tür zu stehen. Sind deine Schuhe in einem Schuhschrank, stehen sie offen herum oder draußen vor der Tür? Die systematische Desensibilisierung zieht sich durch das das gesamte Training – nicht nur bei den Schlüsselreizen.  

Medikation 

Ich möchte auch noch ein Wort zu Medikamenten äußern. Ich finde, sie werden zu Unrecht verteufelt und können durchaus das Training positiv beeinflussen. Eine Medikation ermöglicht oftmals erst einen Rahmen, in dem Training stattfinden kann. Aber auch wenn man Schwierigkeiten hat, über einen bestimmen Zeitraum herauszukommen, das Verhalten des Hundes sehr variabel ist oder die Generalisierung nicht gelingt, kann Medikation sehr hilfreich sein. Denn was ist denn die Alternative? Dass du und dein Hund gestresst und frustriert seid, du unglaublich viel Zeit verlierst und dein Hund natürlich auch schlechte Trennungserfahrungen macht. 

Da könnte man lieber das Training mit Medikation begleiten und die Situation für alle angenehmer machen. Je nach Medikament wirken diese Mittel angstlösend und ruhefördernd – keinesfalls werden sie so eingesetzt, dass dein Hund sediert ist und gar nichts mehr mitbekommt. Die leichtere Variante sind Nahrungsergänzungsmittel, zum Beispiel L-Thryptophan, L-Theanin, Melatonin, Zylkene, usw. Diese wirken aber nur Ruhe fördernd, wie ein guter Tee zum Beispiel, und haben nicht die gleiche Wirkung wie eine gut angepasste Medikation. 

Auf jeden Fall solltest du die Medikation und anderweitige Unterstützung (in Form von L-Theanin zum Beispiel) mit einer Verhaltenstierärztin oder einem Verhaltenstierarzt absprechen! Einfach blind „rein damit“ kann sehr nach hinten losgehen. Medikamente bekommt man sowieso nur von der Tierärztin oder dem Tierarzt verschrieben. Auch kann man medikamentöse Unterstützung nicht als alleinige Maßnahme betrachten. Eine umfassende Anamnese zur Gesundheit und eventuellem Hintergrundstress muss immer vorausgehen. Auch sollte die Medikation trotzdem mit gutem Training begleitet werden, denn nur ein Pfeiler, egal ob nur Training oder nur Medikation, funktioniert meistens nicht.  

Unterstützung 

Solltest du im Training nicht vorankommen, bin ich natürlich jederzeit für dich da. Durch meine eigene Hündin Levi weiß ich, wie einschneidend das Thema Trennungsstress und Alleinbleiben sein kann. Wir haben selbst das Problem mehrere Male durch, denn immer wieder gab es Rückschläge durch die Gesundheit, schlechte Erfahrungen und ihre Schilddrüsenunterfunktion. Immer wieder musste ich kleinschrittiger oder sogar ganz von vorn anfangen. Deshalb habe ich mich durch mehrere Weiterbildungen und Zusatzqualifikationen genau auf dieses Thema spezialisiert und biete dazu unter https://diewuffuni.de ganz individuelles Online-Training an – egal, wo ihr seid.  


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