So verhinderst du, dass dein Tierschutzhund davonläuft

Facebook und Co. sind täglich voll von Meldungen über entlaufene Tierschutzhunde und die Fälle nehmen immer weiter zu. Tiersicherungsdienste und Tierschutzvereine schreiben verzweifelte Beiträge und berichten, dass sie sowohl kapazitär als auch emotional restlos überfordert sind. Die Angst der Suchdienste ist groß, dieser Belastung bald nicht mehr gewachsen zu sein und sukzessive die so wichtigen ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen zu verlieren. 

Hintergründe

Immer mehr Auslands-Tierschutzhunde werden nach Deutschland vermittelt. Oftmals entlaufen sie, aufgrund mangelnder Sicherheitsmaßnahmen, noch am Tag der Ankunft oder in den Wochen danach. Ein absoluter Albtraum für Hund und Mensch! 

Um sich in die Situation des frisch angekommenen Tierschutzhundes besser hineinzufühlen, können wir uns folgendes vorstellen:
Nach einer unerwarteten 24-Stunden-Reise werden wir an einem unbekannten Ort in einem uns fremden Land abgesetzt. Jemand schiebt uns in ein Haus, angefüllt mit völlig fremden Menschen, deren Sprache uns gänzlich fremd ist. Wir wissen absolut nicht, wie wir uns verhalten sollen …

Solch eine Situation würde vermutlich jeden von uns verunsichern und, je nach Vorerfahrung, verängstigen! Doch zurück zu den Tierschutzhunden.

Sie haben oft noch nie in einem menschlichen Haushalt gelebt und sind mit den Geräuschen und Gegebenheiten unserer Welt, wie beispielsweise dem Straßenverkehr, nicht vertraut. Der Umzug in eine völlig neue Umgebung stellt für sie eine große Herausforderung dar. 

Jeder Tierschutzhund hat bereits gewisse Erfahrungen in seinem Leben gemacht, manche von ihnen leiden auch schlichtweg an Mangelerfahrung (Deprivation). Beides kann zu großen Unsicherheiten und Ängsten führen. Ob dein Neuankömmling auf gewisse Dinge ängstlich reagieren wird, lässt sich zu Beginn nicht sagen. Selbst wenn er von den Mitarbeiter:innen des Tierschutzvereins als freundlich, aufgeschlossen und entspannt beschrieben wurde, kann es sein, dass sich dein Hund in seiner neuen Umgebung, ohne ihm vertraute Artgenossen, anfangs komplett anders verhält. 

Daher ist es wichtig, dass du in der ersten Zeit auf Nummer sicher gehst: Nutze alle Sicherheitsmaßnahmen und beobachte die Reaktionen deines Hundes gut.

Jeder Hund reagiert unterschiedlich auf neue Reize

Reize, die Angst auslösen können, sind zum Beispiel: 

  • rennende/ kreischende Kinder
  • Mülltonnen
  • andere Tiere wie Hunde, Pferde, Kühe, Schafe
  • (flatternde) Fahnen
  • Fahrzeuge (parkend, vorbeifahrend, mit lauter Musik, durch Pfützen fahrend etc.)
  • generell Knallen: Türen, Feuerwerkskörper, herunterfallende Gegenstände, Motorfehlzündungen etc.
  • Menschen (mit Regenschirm, Hut, schlurfendem/ hinkendem Gangbild, Kinderwagen, Rollator, Krücken, Rollstuhl etc.)
  • Schatten oder Lichter, die Gegenstände von unten anstrahlen
  • Spaziergänge in der Dämmerung oder Dunkelheit (selbst wenn diese bei Tage entspannt möglich waren)

Diese Liste ließe sich endlos fortführen und dient nur als Beispiel.

Die meisten neu angekommenen Tierschutzhunde brauchen vor allem erst einmal Zeit, anzukommen. Statt sie auf langen Spaziergängen mit vielen Reizen zu konfrontieren, ist es oft besser, sie zu Hause sicher zu beschäftigen.

Foto © Nadine Halberschmidt

Durch die Adoption eines Tierschutzhundes übernehmen wir nicht nur die Verantwortung für sein Wohlbefinden, sondern auch für seine Sicherheit. Es ist an uns, dafür zu sorgen, dass weder unser neues Familienmitglied noch wir uns in der unglücklichen Situation wiederfinden, dass unser vierbeiniger Freund entlaufen ist.

Entlaufen verhindern

Folgendes kannst du konkret tun, um zu verhindern, dass dein Tierschutzhund entläuft.

Vor dem Abholen deines Hundes

Bringe unbedingt, bevor sich dein Tierschutzhund auf den Weg nach Deutschland macht, in Erfahrung, ob er bei Übernahme ein Sicherheitsgeschirr tragen wird. Wenn dein neues Familienmitglied nicht mit Sicherheitsgeschirr an dich übergeben wird, nimm unbedingt eines zur Übergabe mit (ungefähre Maße kannst du vorher beim Verein erfragen) und bitte die Fahrer:innen des Transportunternehmens, es deinem Hund noch im Transporter bei geschlossener Tür anzuziehen.

Beim Abholen deines Hundes

Fahre vom Abholort direkt ohne Pause nach Hause. Ein Zwischenstop zum Lösen ist zu gefährlich.

Deinen Tierschutzhund transportierst du am Besten in einer ausreichend großen Hundebox, welche das erste Mal im Haus den Boden berührt. Nachdem Türen und Fenster geschlossen sind, kannst du die Box öffnen.

Zu Hause

Vermeide es, Türen offen zu lassen, und ziehe in Betracht, sie sogar abzuschließen. Einige Hunde beherrschen das Öffnen von Türen mühelos. Sind kleine Kinder im Haus, die noch nicht zuverlässig auf offene Türen achten können, schließe auf jeden Fall ab.

Wenn du lüftest, sichere deinen neuen Gefährten entweder mit einer Leine oder bringe ihn in einen anderen Raum. Es ist wichtig, deinen Hund dabei niemals unbeaufsichtigt zu lassen. Dies verhindert nicht nur, dass er aus dem Fenster klettert, sondern schützt auch vor möglichen Stürzen aus einem Obergeschoss. 

Falls du einen Balkon besitzt, sichere deinen Hund auch dort stets mit einer Leine und lass ihn nicht allein draußen, um seine Sicherheit zu gewährleisten. 

Klingelt es an der Tür, öffnen wir Menschen diese, ohne darüber nachzudenken. Doch Hunde sind Meister darin, blitzschnell durch Türspalte zu schlüpfen – oft schneller, als wir reagieren können. Eine einfache Maßnahme, dies zu verhindern, besteht darin, ein deutliches Erinnerungszeichen an der Tür anzubringen. Auf diese Weise erinnert dich die Markierung daran, deinen Hund zu sichern, wenn beispielsweise der Postbote an der Tür klingelt. 

Im Garten

Gewährleiste anfänglich stets die Sicherheit deines neuen Familienmitglieds im Garten, indem du den Hund mindestens mit einer Schleppleine sicherst und ihn niemals unbeaufsichtigt lässt. Selbst ein hoher Gartenzaun bietet keine garantierte Sicherheit, da Hunde oft Mittel und Wege finden, ihn zu überwinden oder darunter hindurch zu buddeln – unabhängig von seiner Höhe, selbst bei fünf Meter hohem Zaun. 

Achte zudem darauf, das Gartentor immer geschlossen zu halten, und informiere gegebenenfalls Nachbarn darüber, insbesondere wenn sie gern auf einen Plausch vorbeikommen. Sicherheitshalber kannst du auch erst einmal ein Schloss anbringen. 

Beim Spaziergang: Doppelte Sicherung

In der ersten Zeit nach Ankunft deines frisch adoptierten Tierschutzhundes sichere ihn auf euren Spaziergängen unbedingt doppelt! Auch wenn er erst einmal nicht ängstlich wirkt. In den ersten Monaten können immer unvorhergesehene Situationen auftreten, in denen dein Hund dann eventuell doch mit Angst reagiert und versucht, sich zu befreien und davonzulaufen. 

Für die doppelte Sicherung benötigst du:

  • ein ausbruchsicheres Sicherheitsgeschirr (mit zwei Brustgurten) 
  • ein breites Zugstop-Halsband
  • zwei Leinen (keine Rollleine/ Flexileine!) 

Foto © Nadine Halberschmidt

Eine Leine befestigst du am Halsband deines Hundes und die andere am Sicherheitsgeschirr. Diese Leine kannst du, um die Sicherheit zu maximieren, an dir selbst mit einem Bauch- oder Jogginggurt befestigen. So ist der Hund gesichert, selbst wenn dir zB. bei einem Sturz die Leinen aus der Hand fallen.

Foto © Kathrin Fleischer

Normale Geschirre sind für den Anfang nicht empfehlenswert, da Hunde sich daraus schnell befreien können. Zusätzlichen Schutz bietet ein GPS-Tracker, der im Fall des Entlaufens die Ortung deines Hundes ermöglicht. Es ist auch hilfreich, deine Telefonnummer in gut lesbaren, großen Ziffern auf Geschirr oder Halsband aufzusticken. Viele Tierschutzvereine melden ihre Hunde bei Tasso an. Achte darauf, dass dein Schützling auf dich umgemeldet ist und aktualisiere deine Adresse bei jedem Umzug.

Um Unfälle beim Verlassen des Autos zu verhindern, sichere deinen vierbeinigen Begleiter zuerst mit einer Leine, bevor du den Autogurt löst oder die Box öffnest.

Es ist allgemein ratsam, das Stresslevel bei Spaziergängen so gering wie möglich zu halten. Wähle in der Anfangszeit eine gleichbleibende Route und minimiere Reize. Ein dauerhaft gestresster Hund ist anfälliger für Schreckreaktionen, was das Risiko des Entlaufens erhöhen kann. 

All diese Sicherheitsmaßnahmen sind auch vor, während und nach dem Jahreswechsel sehr anzuraten. 

Selbst wenn dein Hund schon länger bei dir lebt und noch nie mit Angst auf Feuerwerkskörper reagiert hat, kann dies jederzeit passieren. Darum: Geh lieber auf Nummer sicher, denn schließlich wollt ihr noch viele schöne Jahre miteinander verbringen. 

Falls dein Hund doch entläuft:

  • Unbedingt Ruhe bewahren!
  • Zwingend am Entlauf-Ort bleiben. Entfernst du dich vom Entlauf-Ort, wird dein Geruch verteilt → der Hund findet schwerer zu dir zurück.
  • Als Erstes Tasso und Polizei informieren!
  • Keine große Suchaktion starten! Viele Menschen am Entlauf-Ort verhindern ein Zurückkommen und treiben deinen Hund weiter weg.
  • Eine dem Hund vertraute Hilfsperson bitten zum Haus/ Wohnung zu gehen, die Haustür zu öffnen, Futterspur bis ins Haus zu legen und vor Ort zu bleiben.
  • Wenn dein Hund das Auto als sicheren Ort anerkennt: Auto geöffnet lassen, benutzte Decke des Hundes direkt ans Auto legen.
  • Tasso und soziale Medien: keine Angaben zu Geschirr, Halsband, Leine etc. machen → erleichtert anschließend das Herausfiltern von Falschmeldungen
  • Die Polizeimeldung muss wegen des Schichtwechsels alle 12 Stunden aktualisiert werden!
  • Ist es sehr kalt, dein Hund sehr alt, ein Welpe oder auf lebensnotwendige Medikamente angewiesen → bitte umgehend professionellen Tiersuchdienst engagieren! 

Strukturiertes Vorgehen ist wichtig. Auch im akuten Notfall unterstütze ich dich gerne: SOS – Hund entlaufen


Titelbild © Worledit via Canva.com