… kurz gfK nach Marshall B. Rosenberg findet immer mehr Anhänger:innen und so nimmt es nicht wunder, dass die Hundehalter:innen unter ihnen sich fragen, inwiefern sich diese Haltung auf das Zusammenleben mit ihren Hunden übertragen lässt. Denn tatsächlich handelt es sich um eine Haltung, nicht um eine Sammlung von Gesprächsstrategien.

Worum geht es?

Rosenberg geht unter anderem davon aus, dass hinter jedem Verhalten ein Bedürfnis steht – Hundehalter:innen, die sich mit bedürfnisorientiertem Training befassen, ist dieser Gedanke nicht fremd. Verhalten wird gezeigt, um ein Bedürfnis zu erfüllen. Wenn ich also Einfluss auf (womöglich unerwünschtes) Verhalten meines Hundes nehmen möchte, lohnt sich die Frage, welches seiner Bedürfnisse im Mangel ist und wie ich es anderweitig erfüllen kann. Kniffliger dagegen wird es, wenn es nicht um die Bedürfnisse meines Hundes geht, sondern um meine eigenen.

Was zum Beispiel, wenn ich mich nach Anerkennung sehne und mir dieses Bedürfnis durch sportliche Erfolge (Agility etc.), soziales Engagement (Therapie-, Schul-, oder Rettungshundearbeit), oder schlicht durch den Umstand erfüllen möchte, dass ich einen netten, braven, gehorsamen, sozial kompetenten Hund mein eigen nenne? Wie kann ich dieses legitime (!) Bedürfnis stillen, wenn mein Hund wider Erwarten nicht in der Lage ist, mich darin zu unterstützen, weil er womöglich HD hat, unter Ängsten leidet oder Artgenossen nicht ausstehen kann?

Wo genau also liegt eigentlich die Grenze zwischen der Unterstützung, die ich meinem Hund schuldig bin, um seine Bedürfnisse zu erfüllen, und der Fürsorge für mich selbst?

Knifflig deshalb: Hunde können nun einmal nicht sprechen und wir müssen ihre Bedürfnisse (anhand von Beobachtungen) erahnen und erfühlen. Zugleich sind wir zwar der Sprache mächtig, gestehen uns selbst aber nicht gerne ein, wie bedürftig wir uns manchmal fühlen.

Will ich also bedürfnisorientiert mit meinem Hund umgehen, sollte ich nicht nur seine Bedürfnisse kennen und berücksichtigen, sondern auch meine eigenen. Das kann ungeheuer befreiend, aber auch durchaus schmerzhaft sein: Nicht immer sind wir die Held:innen, die starken, geduldigen Persönlichkeiten, die geborenen Anführer:innen, die wir vielleicht gerne wären.

Das gibt Ärger!

Rosenberg postuliert weiter, dass nicht andere für unsere Verärgerung verantwortlich sind, sondern wir uns durch das, was wir denken, sozusagen selbst ärgern. Eine Kröte, die – zugegeben! – schwer zu schlucken ist.

Aber in der Tat geht mein Hund einfach seinen legitimen Interessen nach, verhält sich, wie er sich verhält, weil er gerade nicht anders kann! Dass er „dominant ist“, „mich nicht ernst nimmt“, „mich ärgern will“ … und was mir nicht alles durch den Kopf schießt, wenn mein Hund wieder einmal nicht der Hund ist, den ich mir erträumt habe (der meine Bedürfnisse stillt!), ist lediglich, was ich denke.

Glaub nicht alles, was du denkst!

Ein sehr weiser Ausspruch (leider habe ich vergessen, von wem er stammt). Auch in diesem Punkt liegt die Verantwortung also zunächst einmal bei mir: Ich muss in mich gehen und mir die Frage beantworten, was ich denke, wenn mein Hund ein Verhalten zeigt, für welches ich ihn gerne erwürgen würde. Warum ich denke, was ich denke.

Was glaubst Du?

Häufig sind es sogenannte Glaubenssätze, die in solchen Momenten in unseren Gedanken Gestalt annehmen. Glaubenssätze sind „Lebensweisheiten“, die wir so früh in unserer Kindheit erlernt haben, dass wir uns nicht einmal ohne Weiteres daran erinnern können, woher sie stammen. Oft sind sie uns nicht einmal bewusst. Dennoch bestimmen sie unser Denken und Handeln. Glaubenssätze können uns zum Beispiel vorschreiben, dass wir erst einmal etwas leisten müssen, bevor wir uns etwas gönnen dürfen.

Dass „Bescheidenheit eine Zier“ ist und wir uns deswegen nicht feiern dürfen, wenn wir etwas erreicht haben.

„Benimm dich gefälligst!“ ist vermutlich ein Glaubenssatz, den zumindest die Menschen meiner Generation mit der Muttermilch eingesogen haben. Und er klingt im Umgang mit unseren Hunden fort: „Tu dies nicht, lass das! Benimm‘ dich!“.

Ein trauriger „Klassiker“ ist außerdem „Mir hat ein Klaps auch nicht geschadet!“. Menschen, die als Kinder geschlagen oder anderweitig hart bestraft wurden, hatten häufig gar keine andere Chance, als das Tun ihrer Eltern als „gut und richtig“ oder sogar „notwendig“ zu verinnerlichen. Denn die Annahme, dass die eigenen Eltern nicht wohlmeinend und fürsorglich, sondern unberechenbar und gewalttätig sind, ist für die Psyche eines Kindes nicht zu ertragen.

Bei derart gebrannten Kindern löst der Gedanke, im Umgang mit Hunden auf positive Strafe zu verzichten, heftigen Widerstand aus, impliziert er doch, dass unsere Eltern uns schweren Schaden zugefügt haben.

Ganz natürlich

Marshall B. Rosenberg muss ein großer Optimist gewesen sein, denn er war sich absolut gewiss, dass es uns (Menschen) ein tiefes Bedürfnis ist, die Bedürfnisse anderer zu erfüllen. Es liegt in unserer Natur. Ebenso wie in der unserer Hunde, die im Laufe der Domestikation uns Menschen zu ihren bevorzugten Sozialpartner:innen erwählt haben.

Der „will to please“, von dem wir bei manchen Hunderassen sprechen, mag daran erinnern, ist aber nur insofern gemeint, als es nicht zwingend um Gehorsam oder Wohlverhalten geht, sondern um das Bemühen, die Bedürfnisse beider Seiten gleichermaßen zu berücksichtigen.

GfK mit Hunden

… ist insofern anspruchsvoll, als diese nicht sprechen … oder besser: nicht argumentieren können.
Sprechen in dem Sinne, dass sie uns ihre Gefühle und Befindlichkeiten mitteilen, können sie sehr wohl. Sie können sogar mit uns diskutieren oder Kompromisse anbieten, sofern wir sie lassen. Aber für den „intellektuellen Part“ sind allein wir zuständig: Ich muss mich, meine Bedürfnisse und alles, was ihnen zugrunde liegen mag, hinterfragen, mich mit meinen Glaubenssätzen auseinandersetzen. Ich muss diese Erkenntnisse – die durchaus schmerzlich sein können – auf meinen Umgang mit meinem Hund übertragen.

Vielleicht lieben wir unsere Hunde genau dafür, dass sie unsere diesbezüglichen Bemühungen annehmen, ohne deren Gelingen zu werten. Ihnen scheint bewusst zu sein, dass wir immer die bestmögliche Version unserer selbst sind, und sie schenken uns ihre Freundschaft bedingungslos.

Vorsicht: Falle!

Gerade solche Menschen, die eine starke Affinität zu gewaltfreier Kommunikation und/oder „unerzogen“ als Lebenshaltung empfinden, fühlen sich oft von einem solchen Umgang mit Hunden angezogen, der nicht „trainiert“ (erzieht, Vorschriften macht), sondern „kommuniziert“ (sich verständigt, sich verständlich macht). Auf den ersten Blick erscheint das absolut logisch!

So logisch, dass der zweite Blick häufig unterbleibt.

Selbstverständlich können wir mit unseren Hunden kommunizieren! Wir können lernen, ihre Körpersprache und Mimik korrekt zu interpretieren. Sie dagegen sind in einem geradezu unheimlichen Maße dazu fähig, uns zu lesen. Selbst unsere gesprochenen Worte – das beginnt die Wissenschaft gerade nachzuweisen – verstehen sie tatsächlich so gut, wie der viel zitierte Volksmund es schon immer behauptet hat.

Wenn wir uns also bemühen, ihre feinen Signale nachzuahmen, sind wir zwar immer auf ihr Wohlwollen angewiesen, aber dieses Wohlwollen ist uns gewiss. Unsere Hunde wollen mit uns kommunizieren! Selbst wenn es nicht ihrem Nutzen dient.

Wenn ich unerwünschtes Verhalten meines Hundes unterbinden will, kann ich demnach problemlos Kommunikation nutzen, um mein Ziel zu erreichen: Bei einem sensiblen Hund genügt bereits eine minimale Veränderung meiner Körperspannung, meiner Tonlage, der Intensität meines Blickes. Bei „dickfelligeren“ Gemütern muss ich womöglich deutlicher werden: Mich groß machen, über den Hund beugen, ihn drohend anstarren, mit dem Fuß aufstampfen, scheuchende Gesten mit meinen Händen einsetzen, klatschen oder zischende Geräusche machen. Und obwohl die meisten dieser „Signale“ im Repertoire unserer Hunde gar nicht vorkommen, werde ich früher oder später auf jeden Fall verstanden. Ganz und gar gewaltfrei, weil ich ja lediglich kommuniziere.

Warum „Kommunikation“ nicht automatisch gleich „gewaltfrei“ ist

Wenn ich im Rahmen gewaltfreier Kommunikation eine Verhaltensänderung meines Gegenübers erreichen möchte, kann ich eine Bitte äußern. Eine Bitte beschreibt ein konkretes Verhalten, das ich mir von meinem Gegenüber wünschen würde.

Also zum Beispiel statt „Ich möchte, dass du mir mehr im Haushalt hilfst!“, kann ich konkret sagen: „Wenn die Mülltonne voll ist, stell sie doch bitte an den Straßenrand!“

Der Dreh- und Angelpunkt ist allerdings ein ganz anderer: Eine Bitte ist dadurch gekennzeichnet, dass das Gegenüber auch Nein sagen darf! Wenn „nein“ keine akzeptable Antwort ist, handelt es sich nicht um eine Bitte, sondern um eine Forderung. Wenn ich also mit meinem Hund „kommuniziere“, um ihm ein bestimmtes Verhalten abzuverlangen, ohne dass er „nein“ sagen dürfte, dann kann das alles Mögliche sein, aber es ist definitiv keine gewaltfreie Kommunikation!

Was ich dagegen sehr schön finde, ist der Gedanke, dass hinter jedem Nein ein Ja steht! Ein „Ja!“ zu den eigenen Bedürfnissen. Und ein Hinweis für mich, nach dem entsprechenden Bedürfnis meines Hundes Ausschau zu halten. Die gute Nachricht lautet:

Gewaltfreie Kommunikation mit Hunden ist möglich!

Zwar findet sie ihre Grenze dort, wo das Verständnis unserer Hunde endet, aber auch Rosenberg spricht von sogenannter „schützender Gewalt“, die unter Umständen unabdingbar sein kann. Dass fahrende Autos oder Züge lebensgefährlich sein können und Hunde, die Wild hetzen, womöglich erschossen werden, übersteigt das Vorstellungsvermögen unserer Vierbeiner. Daher werden wir sie in den entsprechenden Situationen an der Leine führen, ob ihnen das nun passt oder nicht. Nicht all ihre Bedürfnisse lassen sich erfüllen.

Was wir jedoch tun können, ist, ihnen das Leben mit uns so leicht wie möglich zu machen! Viele unerwünschte Verhaltensweisen resultieren aus einer hohen Stressbelastung – reduzieren wir diese, sind unsere Hunde offener für „weitere Gespräche“.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Das heißt selbstverständlich nicht, Hunde in Watte zu packen und jeglichen Stress oder Frust von ihnen fernzuhalten! Es bedeutet ganz im Gegenteil, sie darin zu unterstützen, eigene Strategien für die Bewältigung schwieriger Situationen zu entwickeln.

Empfehlenswerte Bücher*

Feine-Maus-Rezension: Neustart für Hunde

Andere unerwünschte Verhaltensweisen können wir durch entsprechendes Management „verunmöglichen“: Wir bringen unseren Hund einfach nicht in die Verlegenheit, sie zeigen zu müssen.

Empfehlenswerte Bücher*

Martina Maier-Schmid: Grenzen setzen 3.0
Feine-Maus-Rezension: Grenzen setzen 3.0
Sonja Meiburg: Lass das!

In manchen Dingen werden wir um Training nicht herumkommen. So ähnlich unsere Hunde uns auch sein mögen, sie sind keine Menschen im Pelz. Sie werden nicht auf dieselbe Art erwachsen und fähig, eigenverantwortlich zu handeln, wie wir das tun. Bis zu einem gewissen Grad werden sie immer unserer schützenden Gewalt bedürfen.

Dennoch liegt es in unserer Hand, den Spielraum zwischen „Befehlsempfänger“ und „gleichberechtigtem Partner“ nach Kräften in Richtung Partnerschaft auszudehnen und unseren Hunden auch einfach mal etwas zuzutrauen!

Erfahrungsgemäß sind sie klüger, als wir denken.


Zum Weiterlesen*

Marshall B. Rosenberg: Gewaltfreie Kommunikation

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