Die so genannten „Lerngesetze“ beschreiben, wie eine Form des Lernens funktioniert, die immer und ständig mitmischt, nämlich die (klassische wie operante) Konditionierung. Oft liest man, die sei unnatürlich, bloße Dressur, sie würde Hunde verdummen und in der Hundeerziehung käme es auf ganz andere Dinge an – Beziehung, Persönlichkeit, Ausstrahlung …

Was ist da dran? Ist operante Konditionierung, also in erster Linie die Arbeit mit Belohnung und Strafe, unnatürlich?

Konditionen sind Lebensbedingungen

Konditionierung (von lat. condicio = Beschaffenheit, Zustand, Bedingung) ist erst einmal nur ein Anpassungsmechanismus – jeder Organismus muss sich jeden Tag, jeden Moment aufs Neue den Bedingungen seiner Umwelt anpassen, um zu überleben. Woher soll ein Tier wissen, was gut für es ist und was nicht? Was eine Gefahr ankündigt? Das sagen ihm grob vereinfacht seine Gene und seine Gefühle.

Dass Tiere Emotionen haben, und zwar im Fall z. B. der Hunde sehr ähnliche wie wir, steht inzwischen außer Frage. Ein Tier kann sich daran orientieren: Wie fühlt sich das an? Vereinfacht ausgedrückt liefern Emotionen die Information:

Gut, angenehm = gut für mich (etwas Schönes ist passiert oder etwas Schlimmes hat aufgehört) oder
Schlecht, unangenehm = nicht gut für mich (etwas Schönes hat aufgehört oder etwas Schlimmes ist passiert).

Diese Gesetzmäßigkeiten, nach denen ein Tier sein Verhalten an die aktuellen Umweltbedingungen anpasst, sind unter dem Begriff „Konditionierung“ beschrieben worden. Die operante Konditionierung erklärt, wie sich die Folge einer Handlung auf zukünftiges Handeln auswirkt. Diese Folgen (Konsequenzen) sind Ereignisse in der Umwelt des Tieres – Punkt.
Ich bin einem interessanten Geruch gefolgt und so zu einem Haufen Fressbarem gelangt. War lecker – fühlt sich gut an! Wenn ich so was noch mal rieche, werde ich dem Geruch also wieder folgen (operante Konditionierung: positive Verstärkung). Ich bin diesem gelb-schwarz gestreiften Tier sehr nahe gekommen, und es hat mich in die Nase gestochen. Autsch! Das fühlt sich schlecht an. Wenn ich so ein Tier noch mal sehe, werde ich aufpassen und mehr Abstand halten (operante Konditionierung: positive Strafe).

Exkurs: Die „vier Quadranten“ der operanten Konditionierung

Positive (+) Verstärkung: etwas Angenehmes kommt dazu = Freude
Ein attraktiver (fachsprachlich: appetenter), angenehmer Reiz löst Freude und Motivation aus, das Verhalten wird in Zukunft öfter gezeigt.

Negative (-) Verstärkung: etwas Unangenehmes geht weg = Erleichterung
Ein aversiver (unangenehmer) Reiz wird entfernt, das löst Erleichterung aus. Das Verhalten wird in Zukunft öfter gezeigt.

Negative (-) Strafe: etwas Angenehmes geht weg = Frustration
Ein attraktiver Reiz wird weggenommen, das Tier ist frustriert. Das Verhalten wird in Zukunft seltener gezeigt.

Positive (+) Strafe: etwas Unangenehmes kommt dazu = Angst
Ein aversiver Reiz löst Angst aus, das Verhalten wird in Zukunft seltener gezeigt.

Mehr über die vier Quadranten und die Emotionen, die sie im Hund auslösen, findest du im Artikel „… und was ist was?“ erklärt!

Konditionierung ist Natur

So finden sich alle Tiere in ihrer Umwelt zurecht. Da braucht es auf dem ganzen Planeten keinen Menschen, der diesem Tier irgendetwas beibringen oder verbieten will … Sie finden Nahrungsquellen, Schutz, Sozialpartner. Sie entkommen Gefahren. Sie stellen ihr Verhalten auf die aktuellen Bedingungen ein.

Konditionierung ist also nichts Menschengemachtes, sondern ein Vorgang, den man überall in der Natur beobachten kann. Pawlow, Skinner & Co. haben die Konditionierung nicht erfunden oder im Labor zusammengebastelt. Sie haben nur auftretende Phänomene beobachtet, beschrieben und deren Gesetzmäßigkeiten erfasst. Wie Newton halt als Erster systematisch erklärt hat, warum ein Körper sich wie schnell wohin bewegt. Und bloß, weil es seitdem wissenschaftliche Begriffe und Formeln dafür gibt, ist Kraft kein bisschen unnatürlicher als vorher. Wir können nur noch sinnvoller damit umgehen, weil wir ihre Wirkungsweise besser verstehen (und z. B. Häuser oder Regale bauen, die toll aussehen und lange halten).

Konditionierung als unnatürlich zu bezeichnen und nicht damit arbeiten zu wollen, ist ungefähr so, als wollte man die Schwerkraft ignorieren, als unnatürlich bezeichnen oder behaupten, beim Bau von Häusern gäbe es doch noch so viel Wichtigeres … Wenn also jemand behauptet, er würde ein Tier erziehen (oder trainieren oder ausbilden) ohne Konditionierung, dann gibt es genau zwei Möglichkeiten:
1. Er weiß nicht, wovon er spricht.
2. Er weiß es und stellt es absichtlich falsch dar, weil er dir nicht die Wahrheit darüber sagen möchte, was in seinem Training mit deinem Hund passiert.

Was ist „Hundeerziehung“ anderes, als Verhalten zu verändern (so dass das Tier in seiner Umwelt bestmöglich klarkommt)? Der Welpe, der bei uns einzieht, pinkelt ins Haus, springt an jedem hoch und beißt beim Spielen in die Kleidung. Das verändern wir – der Hund lernt, sich draußen zu lösen, alle Viere auf dem Boden zu lassen und den Pulli heile. Vielleicht bellt er fremde Hunde an oder den Briefträger. Dieses Verhalten verändern wir. Indem wir uns die Lerngesetze zunutze machen und die Konsequenzen seines Verhaltens gezielt beeinflussen. Und natürlich nicht nur wir, siehe oben – alles in der Umwelt des Tieres kann ein Verhalten verstärken oder abschwächen (= strafen), sei es ein anderer Hund, der Briefträger, ein Jagderfolg, ein herabfallender Ast (oh Schreck) …

Welches Gefühl löse ich in meinem Hund aus?

Es ist mir wichtig, dass du verstehst: Wir arbeiten im Training immer mit den Gefühlen des Hundes. Du nimmst absichtlich direkten Einfluss darauf, wie dein Hund sich fühlt. Bitte halte dir das einmal in Ruhe vor Augen.

Ich möchte, dass mein Hund mich nicht anspringt. Welche Konsequenz wähle ich? Möchte ich für eine andere Form der Begrüßung Freude in ihm auslösen (für „alle Viere auf dem Boden“ belohnen)? Möchte ich mich schon vorher drohend aufbauen, wenn mein Hund auf mich zu läuft (!), damit er gar nicht erst springt und froh ist (Erleichterung), dass ich ihn jetzt doch nicht anzische? Möchte ich mich wegdrehen und seine Begrüßung ignorieren – kann ich es mir leisten, meinen Hund zu frustrieren, oder ist er eh schon sehr oft frustriert und gestresst? Falls du möchtest, dass dein Hund Angst vor dir bekommt, weil du ihn beim Anspring-Versuch mit dem Knie gerammt hast, erinnere dich an dein Knie in seinem Gesicht, wenn du ihn das nächste Mal zu dir (!) rufst …

Wie, wodurch verändert ein Tier sein Verhalten? Das sagen uns die Lerngesetze. Nicht mehr und nicht weniger.

Alles andere, was die „Hundeerziehung“ beinhaltet, kommt erst danach obendrauf.

Attraktives Hundetraining!

Erfolgreich werde ich damit beispielsweise nur sein, wenn ich meinen Hund gut genug beobachte, um seine Emotionen und Bedürfnisse (d. h. auch Gründe für sein Verhalten) halbwegs treffend zu erkennen. Wenn ich ihn gut genug kenne und genug Fantasie habe, um die passende Belohnung zu finden – ein guter Verstärker, der Verhalten also wirkungsvoll verändert, ist etwas, das in diesem Moment einen hohen Wert für den Hund hat. Wenn ich mich einigermaßen im Griff habe (Geduuuld …) und ein bisschen was über seine Gesundheit, Ernährung und über die Gesetze des Lernens weiß.

Das Lächeln und Lachen, das Quietschen, Toben, Kuscheln und Schutz bieten, all das gehört selbstverständlich dazu und macht unser Training so richtig attraktiv! Genauso das Mitfühlen, das einmalig und authentisch sein (und von mir aus auch die besondere Ausstrahlung). Aber welcher noch so kreative oder avantgardistische Architekt behauptet denn, er könne ein Haus viel einfacher, natürlicher und schneller bauen, indem er sich und dem Bauherrn die langweilige Statik erspart?!

Konditionierung ist so unnatürlich wie Futtersuche oder das Verfolgen einer Spur. Positive Verstärkung ist so seelenlos wie ein strahlendes, aufrichtiges Lob. So sehr Dressur wie ein ausgelassenes Spiel mit dem Kumpel oder ein Kraulen an genau der richtigen Stelle (das sind übrigens oft bessere Verstärker als Leckerli „ins Maul stopfen“, man muss sie nur zu nutzen wissen). Wenn also jemand die Arbeit mit positiver Verstärkung auf Kekse und Kunststückchen reduziert oder gar auf Konditionierung an sich verzichten möchte, weißt du ja jetzt, was davon zu halten ist …


Wissen, wie es deinem Hund geht – seine Emotionen erkennen – ist die wichtigste Voraussetzung für ein schönes Zusammenleben und erfolgreiches Training! Hier die Feine-Maus-Empfehlungen* dazu:

Wir können es kaum erwarten! „Sprich Hund“ von Christiane Jacobs erscheint im September.

Das MUST-HAVE. Ernsthaft. „Das Kleingedruckte in der Körpersprache des Hundes“ von Dr. Ute Blaschke-Berthold

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