Pelzhai“ war der Kampfname meines ersten Welpen:
Er hat mir in die Hände gebissen, wenn ich mit ihm spielen oder kuscheln wollte. Er hat mir in die Nase gebissen, wenn ich ihn auf dem Arm getragen habe. Er hat in meine Waden gebissen, wenn ich durch die Wohnung gegangen bin. Er war wie eine Mischung aus Aal und Piranha.

Was frischgebackene Welpenhalter:innen schier zur Verzweiflung treiben kann, ist zunächst einmal ganz normales Welpenverhalten: Hundekinder erkunden, weil sie ja keine Hände haben, die Welt mit dem Mund. Und mit ihren Zähnen. Außerdem spielen sie gerne und dazu gehören auch Rauf- und Zerrspiele.

Dass ihr Gegenüber ihre Begeisterung für das schöne Spiel nicht zwingend teilt und sie uns Menschen dabei wehtun, wenn sie zu wild sind, müssen sie erst lernen.

Zeig ihm, dass er das nicht darf!

Häufig reicht es schon, zu quietschen oder „Aua!“ zu rufen und das Spiel kurz zu unterbrechen: Der Welpe merkt „wenn ich zu doll spiele, hat der andere keine Lust mehr“. Aber wie bei Menschenkindern auch, kann es im Eifer des Spiels passieren, dass die Botschaft nicht ankommt. Dass weitergetobt wird, weil es gerade solchen Spaß macht.

Ein Welpe ist ein Baby

Viele Menschen neigen dazu, den Welpen dann impulsiv von sich wegzuschubsen. Das ist zwar verständlich, aber nicht hilfreich: Gut möglich, dass mein Welpe den Schubs für eine Einladung zu einem lustigen Raufspiel hält und erst recht Gas gibt! Schubse ich doller, gewöhne ich ihn Schritt für Schritt an immer grobere Raufspiele. Die erwünschte Wirkung erziele ich nur dann, wenn ich sofort so doll schubse, dass mein Welpe ganz erschrocken und verdattert ist. Abgesehen davon, dass es schwierig bis unmöglich ist, vorher zu wissen, wie heftig der „Schubs“ sein muss, um den Welpen zu beeindrucken, aber nicht zu traumatisieren: Hatten wir uns das Zusammenleben mit unserem Hundekind nicht irgendwie anders vorgestellt?

Dasselbe gilt für Zischlaute, Sprühflaschen, Wasserpistolen, Discs, Rappeldosen und wie sie alle heißen: Sie erschrecken den Hund und schüchtern ihn ein. Er traut sich dann vielleicht nicht mehr, uns zu beißen, lernt aber auch, dass wir ganz unverhofft sehr bedrohlich werden können. Wie er mit uns spielen kann, so dass es beiden Spaß macht, lernt er nicht.

Hunde machen das untereinander auch so?

Weil Mythen sich nur unter großen Mühen aus der Welt schaffen lassen, heißt es zuweilen immer noch, der Mensch verliere seinen Status als Rudelführer, sollte er den Kampf gegen einen Welpen „aufgeben“, anstatt sich zu wehren und ihn zurechtzuweisen. Fakt ist: Welpen, die im Spiel über das Ziel hinausschießen, frustriert oder auch überdreht sind, kämpfen nicht um einen vermeintlichen Rang, sondern benötigen schlicht Anleitung und Unterstützung!

Sie sind noch Kinder! Und genau wie Menschenkinder sind sie keine kleinen Diktatoren oder Tyrannen, die es frühzeitig „zurechtzustutzen“ gilt, sondern kleine Persönlichkeiten, für deren Entwicklung wir verantwortlich sind.

Abgesehen von besagten Mythen wird gerne argumentiert, Hunde untereinander würden „das ja auch so und so machen“. „Guck dir mal an, wie eine Mutterhündin mit ihren Welpen umgeht!“ heißt es dann.

Tatsächlich sind souveräne erwachsene Hunde im Umgang mit Welpen vor allem eines: sehr sehr geduldig! Und wenn der Zwerg lange genug in Lefzen und Ohren gebissen hat … stehen sie auf, heben den Kopf außer Reichweite und gehen. Natürlich kommt es vor, dass eine völlig genervte Hundemama auch einmal heftig reagiert, einen Welpen wegknurrt, oder kurzerhand „kieloben“ dreht. Es kommt vor, dass Geschwister zurückbeißen.

Das ist normaler Bestandteil hündischer Kommunikation, bedeutet aber nicht, dass wir diese nachahmen könnten oder sollten. Wir sind Menschen. Wir sind nicht in der Lage, die Feinheit, mit welcher Hunde untereinander kommunizieren, auch nur andeutungsweise nachzuahmen. Glücklicherweise macht das nichts: Wir haben andere Möglichkeiten!

Nein! Aus! Pfui!

Aber gerade die naheliegenste dieser Möglichkeiten, unsere Fähigkeit, zu sprechen, hilft uns an dieser Stelle nur scheinbar weiter: Wenn mein Welpe über die Stränge schlägt und ich dann streng „Aus!“ oder auch „Nein!“ sage, erkennt mein Hund den unfreundlichen Ton und reagiert womöglich eingeschüchtert. Wenn ich mich dabei nach vorne beuge und auf ihn herabstarre (er ist ja klein), wirke ich obendrein noch bedrohlich und schüchtere ihn umso mehr ein. Das Wort selbst bedeutet ihm nichts. Er stellt vielleicht das unerwünschte Verhalten für den Moment ein – wie er aber mit uns spielen kann, lernt er auf diese Weise nicht.

Statt das Hundekind einzuschüchtern, kann allzu wüstes Spiel auch auf ein Kuscheltier oder einen Zergel umgelenkt werden, in die der Welpe nach Herzenslust hineinbeißen darf. Sollten diese in einem solchen Moment nicht attraktiv genug sein, hilft vielleicht ein leckeres Stück Dörrfleisch (das darf ruhig ordentlich groß sein, damit er es nicht versehentlich verschlucken kann) oder ein gefüllter Kong. Anstelle der eigenen Wade oder des Hosenbeins kann eine Handvoll Futterbröckchen zur Jagd freigegeben werden, die der Mensch über den Fußboden kullern lässt.

Wichtig ist allerdings, dass das Verhalten umgelenkt wird, bevor er beißt!
Sonst lernt er womöglich, dass es immer dann Party gibt, wenn man Menschen beißt …

Einfach klüger sein als ein Hundewelpe

Den größten Teil des Tages beißen Welpen übrigens nicht, sondern zeigen viele verschiedene Verhaltensweisen, die wir erfreulich finden. Das dürfen wir ihnen dann auch ruhig sagen! Jedes erwünschte Verhalten kann gelobt und belohnt werden – so lernen Hunde, was sie alles richtig machen, und werden diese Verhaltensweisen häufiger zeigen. Und zwar auch statt des unerwünschten Verhaltens.

Vorausschauend handeln

Als Notfallmaßnahmen leisten ein Welpenlaufstall und/oder eine Hausleine gute Dienste.

Sowie ich bemerke, dass mein Welpe wieder einmal „hochdreht“ und gleich zu beißen beginnen wird, nehme ich ihn ruhig und freundlich hoch und setze ihn in den Laufstall: So kann ich ihn auf Distanz halten, ohne dass es zu „Handgreiflichkeiten“ kommt. Eine Hausleine, ein Stück weicher Schnur, die man an seinem Geschirr befestigt, funktioniert ähnlich: Mit ihr kann ich ihn einfach von mir weghalten. Dem kleinen Beißling mal eine Tür vor der Nase zuzumachen, ist natürlich auch eine Möglichkeit. Soziale Isolation allerdings ist für Hunde eine harte Strafe. Und eigentlich möchten wir ja, dass er auch irgendwann lernt, entspannt allein zu bleiben. Dafür ist „ausgesperrt werden“ kein guter Start.
Im Laufstall oder an der Hausleine ist er immer noch dabei und ich kann ihn loben sobald er sich beruhigt.

Noch schöner ist es natürlich, wenn es gelingt, Spiele ruhig zu beenden, bevor er beißt.

Hierzu ist ein Signal i.S.v. „das ist jetzt zu Ende, jetzt ist Pause“ hilfreich: Jedes Mal, wenn ich eine gemeinsame Aktivität (sei das Spielen, Kuscheln, oder eine kleine Trainingseinheit) beende, spreche ich das Signal (zum Beispiel „Pause“, „Ende“ etc.) aus und tue einen Moment lang nichts. Zunächst wird das „Ende“ Signal nur in solchen Situationen benutzt, in denen der Welpe (noch) ruhig ist und es auch mitkriegt. Später kann es auch dann eingesetzt werden, wenn er aufgeregt ist.

Wenn es doch mal zu spät ist

Sollte es doch einmal schief gehen und der Welpe sich festgebissen haben, ist es vor allen Dingen wichtig, stillzuhalten! Hunde neigen dazu, nachzusetzen, wenn etwas von ihnen weggezogen wird. Und wenn sie es schon gepackt haben, wird ein Zerrspiel daraus – das geht mit Dummies und Zergeln, aber eben auch mit Hosenbeinen und Zehen …

Statt mich nun aggressiv zur Wehr zu setzen, schiebe ich ganz vorsichtig meine Fingerspitzen (z.B. Daumen und Mittelfinger einer Hand) von beiden Seiten in seine Mundwinkel. Dabei geht automatisch die Schnute auf. Das hat mit dem manchmal propagierten „Schnauzengriff“ als angeblich hundemütterliche Korrekturmaßnahme nichts zu tun und soll weder wehtun noch bedrohlich wirken! Kleine Hunde kann ich anschließend hochnehmen, indem ich mit einer Hand von hinten unter den Brustkorb greife. Zeige- und Mittelfinger schiebe ich zwischen den Vorderläufen durch, die anderen Finger umfassen hinter den Vorderläufen den Brustkorb. Mit der anderen Hand stabilisiere ich den Po. Den Kopf halte ich dabei von mir weg. Auf diese Weise kann ich auch verhindern, dass mir mein Welpe in die Nase beißt, wenn ich ihn auf dem Arm habe.
Bei größeren Hunden schiebe ich eine Hand von vorne zwischen den Vorderläufen durch, so dass der Brustkorb auf dem Unterarm zu liegen kommt. Daumen und Finger umfassen je eine Seite des Brustkorbes. Der andere Unterarm stützt den Po von den Kniekehlen aus – nicht in den Weichteilen.

So kann ich meinen Welpen einen Moment lang halten bis er sich beruhigt hat, oder aber ihn in seinen Laufstall setzen, ohne dass er weiter beißen kann.

Nach müd kommt doof

Wichtig ist, all das ruhig und liebevoll zu tun! Auch wenn er mir wehgetan haben sollte, auch wenn ich vielleicht frustriert und wütend bin, es geht nicht darum, „es ihm jetzt mal zu zeigen“. Es geht einfach nur darum, ihm dabei zu helfen, sich wieder zu beruhigen.

Sollten die genannten Tips nicht fruchten und Welpen (oder auch Junghunde) nach wie vor schnell „hochdrehen“ und vehement reagieren, lohnt sich ein Blick auf ihren Tagesablauf: Viele Welpen und Junghunde werden in bester Absicht völlig überfordert (zu viele und zu lange Spaziergänge, zu viel Action, zu wenig Ruhe) und reagieren dann wie Kinder, die überdrehen, wenn sie den Zeitpunkt des Zubettgehens verpasst haben.

Welpen sollten 20 bis 22 Stunden am Tag ruhen. Also schlafen, dösen, entspannt herumliegen. Spaziergänge an der Leine sollten (Pi mal Daumen) nicht länger dauern als 5 Minuten pro Lebensmonat am Stück. Spiel- und Erkundungsphasen (zum Beispiel im Garten), bei denen der Hund selbst Pausen einlegen kann, dürfen länger dauern, sofern er die Pausen tatsächlich macht. Sie ersetzen dann aber mindestens einen Spaziergang. Auf alles, was aufregend ist (und wenn man die Welt gerade erst kennenlernt, gilt das für so ziemlich alles), sollte eine ausgiebige Pause folgen – in dieser Zeit kann der Hund all die Eindrücke, die auf ihn eingestürmt sind, in Ruhe verarbeiten.

Gerne darf der Mensch dem Hund dabei Gesellschaft leisten: Kuscheln und gemeinsame Nickerchen tun allen Beteiligten gut und stärken die Bindung!


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