… befasst sich mit der Frage, was eigentlich aus unseren Hunden würde, wenn wir Menschen von jetzt auf gleich vom Erdboden verschwänden.

Wir sind so sehr daran gewöhnt, Hunde als Ergänzung unserer selbst wahrzunehmen – als unsere vermeintlichen „Rudel“mitglieder, Mitarbeiter, Sozialpartner, Familienangehörige, Fellnasen oder gar Pelzkinder, deren Wohl und Wehe allein von uns abhängt, dass es uns schwer fällt, sie unabhängig von uns selbst zu denken.

Wie würde ihr Leben aussehen … ohne uns?

Jessica Pierce und Marc Bekoff nehmen sich dieser Frage aus der Sicht von Biolog:innen an – genau genommen aus Sicht der spekulativen Biologie, die sich damit beschäftigt, was sein könnte. Fantasie und ein gewisses Maß an „gegen den Strich Denken“ sind hierbei durchaus gefragt, ohne jedoch den Boden der Evolutionstheorie zu verlassen. Spekulieren ist ausdrücklich erlaubt – sollte jedoch auf existierenden Daten fußen und sich auf wissenschaftlich realistische Szenarien beschränken.

Hunde ohne Menschen: Ein Gedankenexperiment ist ein Buch von Wissenschaftler:innen für … ja, doch, auch für Laien!

Die Latte könnte allerdings niedriger hängen, keine Frage: Wer einen Grundstock biologischen Fachvokabulars mitbringt und Stichworte wie „Phänotyp“ oder „Morphologie“ nicht nachschlagen muss, ist bei der Lektüre klar im Vorteil! Aber auch dann bleibt sie anspruchsvoll: Wer hätte gedacht, dass Evolution so komplex ist?

Die Fragestellung als solche ist spekulativ, aber die existierenden Daten lehren uns eine Menge über das Leben unserer heutigen Hunde. Mir zum Beispiel war überhaupt nicht klar, wie klein der Teil der weltweiten Hundepopulation ist, auf den die Bezeichnung „Familienhund“ überhaupt zutrifft. Und nein: Ich habe auch nicht gewusst, dass die Fähigkeit, „einen Dackelblick aufzusetzen“, den Hund vom Wolf unterscheidet! Wölfen fehlt die entsprechende Muskulatur – es scheint, als hätten Hunde diese im Laufe der Domestikation entwickelt.

Ich schwanke zwischen „ui, ist das anstrengend!“ und „da hab ich ja noch nie drüber nachgedacht!“-Momenten und dieses Schwanken macht für mich einen großen Teil des Reizes aus: Die Anstrengung lohnt sich so offensichtlich! Spätestens in dem Moment, wenn es um die Frage geht, wie denn unsere eigenen Hunde im Fall der Fälle aufgestellt wären.

Was bedeutet das für meinen Hund?

Gehört mein Hund einer Rasse an, die auch ohne menschliche Unterstützung zurecht käme?
Ist er an die Klimazone, in welcher er lebt, gut angepasst?
Fördere ich in unserem Zusammenleben und Training solche Fähigkeiten, die ihm in einem Leben als „Hund ohne Mensch“ von Nutzen wären?
Sprich: Wie hundlich ist eigentlich das Leben, welches ich meinem Hund biete?

Die Antworten sind, was mich betrifft, teils euphorisierend, teils ernüchternd.
Rassehundzucht ist – wenig überraschend – kein Faktor, der das Überleben unserer Hunde begünstigt. Isolation (allein bleiben), aber auch strafbasiertes Training sind ernstzunehmende Stressoren im Leben von Familienhunden, die sich möglicherweise auf ihre Fähigkeit auswirken, mit neuen Herausforderungen umzugehen. Die meisten Familienhunde würden allerdings schon deswegen nicht überleben, weil es ihnen allein nicht gelänge, das Haus zu verlassen.

Hunde ohne Menschen ist bei aller wissenschaftlichen Nüchternheit kein Buch, das seine Leser:innen kalt lässt!

Für wen eignet sich dieses Buch?

Hunde ohne Menschen ist ein Buch für Hunde-Nerds. Für solche Menschen (wie mich), die begierig jegliches Hundewissen einsaugen.
Darüber hinaus ist es ein Buch für die Hinterfrager:innen, für die Utopist:innen unter uns, für alle, die die Anstrengung unternehmen mögen, ihren Hund einmal auf ganz neue und ungewohnte Weise zu betrachten: Als Hund. Ohne Mensch.


Jessica Pierce und Marc Bekoff

Hunde ohne Menschen: Ein Gedankenexperiment

Verlag: Kynos
August 2022
Gebundene Ausgabe, 208 Seiten
ISBN-10:‎ 3954642808
ISBN-13:‎ 978-3954642809

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